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Streit um die Wehrpflicht täuscht - die Chance auf einen Kompromiss lebt

Von Walter Hämmerle

Analysen

Die Regierung gelobt bei jedem Anlass ihren Willen zur Arbeit, tatsächlich aber kann sie nicht von ihrem Hang zum Pokern lassen. "Trau keinem", lautet bei diesem Spiel, das nur einen Sieger und viele Verlierer kennt, das erste Prinzip. Koalitionsregierungen, die nach diesem Muster agieren, sind allerdings zum Scheitern verurteilt.


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Wie tief das Misstrauen in dieser Koalition steckt, zeigt die Debatte um die Wehrpflicht. Sie beschädigt die Glaubwürdigkeit aller Beteiligten: Jene der SPÖ im Allgemeinen und von Verteidigungsminister Norbert Darabos im Besonderen, weil ihr Schwenk hin zu einem Berufsheer unter dem Generalverdacht eines Boulevard-getriebenen Populismus steht. Und jene der ÖVP, weil sie vor Jahren selbst laut über die Abschaffung der Wehrpflicht nachgedacht hat und jetzt offensichtlich nur dagegen ist, weil sie der SPÖ keinen Erfolg gönnen will.

Natürlich halten sich, wie es professionellen Spielern ansteht, beide eine Hintertür offen, die Spielraum für einen Kompromiss lässt. Die Volkspartei konzediert grundsätzlichen Reformbedarf bei den Strukturen des Bundesheers, und die Sozialdemokratie vergisst nicht anzumerken, dass man bei einer Einigung ja auch auf eine Volksbefragung verzichten könne.

Es ist kaum wahrscheinlich, dass sich die Partei von Josef Pröll darum reißt, sich von den Bürgern eine Abfuhr abzuholen, schließlich deuten alle Umfragen auf ein Nein der Wähler zur Wehrpflicht hin (allerdings empfiehlt es sich bei Themen, die der Boulevard betreibt, die Demoskopie mit äußerster Skepsis zu betrachten). Was die ÖVP derzeit dringend benötigt, ist ein Erfolgserlebnis, keine offizielle Heiligsprechung zum Polit-Märtyrer, der aus Überzeugung lieber untergeht, als einen vertretbaren Kompromiss einzugehen.

Tatsächlich stehen die Chancen dafür gar nicht so schlecht, der aktuelle Schlagabtausch mit eingebauten kleinen Gemeinheiten zwischen den Koalitionspartnern überdeckt, dass die Kluft zwischen beiden Regierungsparteien in den wesentlichen sicherheitspolitischen Fragen durchaus überbrückbar ist. Guter Wille auf beiden Seiten allerdings vorausgesetzt. Weder die SPÖ noch die ÖVP will dem Bundesheer mehr Geld zur Verfügung stellen, und beide betonen die künftige Priorität von internationalen Einsätzen bei gleichzeitiger Gewährleistung eines umfassenden Katastrophenschutzes.

Was fehlt, ist eine glaubwürdige, finanzierbare Alternative für den Zivildienst. Es wäre wesentlich zielführender, wenn sich die Regierung als Ganzes unter Einbeziehung der betroffenen Hilfsorganisationen um ein solches Konstrukt bemühte. Dann könnte daraus ja vielleicht doch noch ein gemeinsames Regierungsprojekt werden. Vielleicht müssten dann Kommentatoren nicht länger auf diese kindischen Poker-Analogien zurückgreifen.