Malta verlangt Aktivierung von Notfallsklausel. | Kommission sieht keinen "Massenansturm". | Brüssel. Wieder einmal steht am Montag ein Treffen der EU-Innenminister im Bann der Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Vor allem geht es um Ströme illegaler Einwanderer aus Tunesien und Libyen. Im ersten Fall dürfte ein Treffen der Innenminister aus Italien und Frankreich am Freitag etwas Entspannung gebracht haben. Im zweiten Fall werden die Töne zwischen den am meisten betroffenen Mitgliedstaaten im Süden und den anderen EU-Ländern zunehmend rauer.
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So beharre Malta auf der Aktivierung einer Notfalls-klausel, welche bei einem "Massenansturm von Flüchtlingen" deren rasche Aufnahme und Verteilung in der EU ermöglicht, hieß es in Diplomatenkreisen. Unterstützt werde das Land dabei von Italien, Griechenland und Zypern. Doch da der kleine Inselstaat bisher nur auf 820 Gestrandete aus Libyen verweisen kann, winken die anderen Mitgliedstaaten und die EU-Kommission ab. Diese Zahl könne wohl nicht als "Massenansturm" betrachtet werden, hieß es. Die Schwelle dafür liege eher bei "mehreren Zehntausend". Immerhin sagte Deutschland bereits zu, 100 Flüchtlinge aufzunehmen; Schweden eventuell sogar ein Vielfaches.
Automatisches Recht auf Asylverfahren
Geschaffen hatten die Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie für den "temporären Schutz" illegaler Immigranten vor rund zehn Jahren nach den Balkankriegen. Menschen, die wegen Gefahr für Leib und Leben nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren können, hätten automatisch das Recht auf ein Asylverfahren und könnten über mehrere Mitgliedstaaten verteilt werden.
Voraussetzung dafür ist, dass eine qualifizierte Mehrheit der EU-Länder einen "Massenansturm" feststellt. Das zeichnet sich aber bei weitem nicht ab.
In Italien geht es unterdessen um deutlich höhere Zahlen: Rund 28.500 Immigranten sind heuer bereits illegal an der Insel Lampedusa und im Süden des Landes aus Tunesien angekommen. Dabei soll es sich aber größtenteils um Wirtschaftsflüchtlinge handeln. Um das zwischenzeitlich völlig überlaufene Lampedusa zu entlasten, ließ Innenminister Roberto Maroni die Immigranten nach Sizilien und ans Festland bringen und allen bis letzten Dienstag Eingetroffenen vorübergehende Aufenthaltsbewilligungen zusagen. Die Folge war ein veritabler Streit mit Frankreich, wo die meisten dieser Menschen wegen der großen tunesischen Diaspora erwartet wurden.
Am Freitag gaben sich Maroni und sein französischer Kollege Claude Gueant versöhnlich und verständigten sich im Wesentlichen auf eine strikte Einhaltung des Schengen-Kodex. Demnach dürfen die Migranten mit ihrer Aufenthaltsbewilligung nur dann in die ganze Schengenzone weiterreisen, wenn sie etwa über Reisedokumente und ausreichend finanzielle Mittel für ihren Lebensunterhalt verfügen.
Stärkerer Grenzschutz, Appelle an Tunesien
Freilich haben nach Kommissionsangaben bereits 430.000 Menschen Libyen wegen der bürgerkriegsähnlichen Zustände verlassen. Um die Südgrenzen der EU dichter zu machen, schlägt Innenkommissarin Cecilia Malmström als kurzfristige Maßnahme etwa die Verstärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex vor. An Tunesien appelliert sie, seine Staatsbürger zurückzunehmen.