Die Beauftragung von Instituten sorgt für Empörung. | Derzeit keine Qualitätssicherung. | Wien. Die Aufregung um neue Bestimmungen für gerichtsmedizinische Sachverständige ist groß. Dass künftig nicht nur Personen, sondern ein ganzes Institut mit einem Gutachten beauftragt werden kann, passt den Sachverständigen und den Richtern überhaupt nicht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Bei uns sträuben sich die Nackenhaare", sagt Manfred Herrnhofer, Vizepräsident der Richtervereinigung. "Wir wollen wissen, wer das Gutachten macht. Wenn wir ein Institut beauftragen, kaufen wir ja die Katze im Sack", bekrittelt er.
Laut Katharina Swoboda, Sprecherin des Justizministeriums, sollen Richter und Staatsanwälte in Zukunft ein gerichtsmedizinisches Institut mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen können. "Der Leiter des Instituts designiert dann eine Person, die verantwortlich ist. Haften tun aber die Universitäten."
Mit der Gesetzesänderung will man "die Qualität der gerichtsmedizinischen Institute erhalten", erklärt Swoboda. Auch der Rechnungshof hatte öfters für eine Institutsbeauftragung plädiert. Die Gebarung der Sachverständigen, die bisher für ihre Gutachtertätigkeit selbst Rechnung legen, wäre zu intransparent; die Institute wüssten oft nicht, wie viele Gutachten ihre Mitarbeiter überhaupt machen würden. Der Rechnungshof forderte, dass die Sachverständigen-Tätigkeit Dienstpflicht und damit auch nicht mehr extra vergütet werde.
Bei der Institutsbeauftragung verlieren die Richter und Staatsanwälte jeglichen Einfluss bei der Wahl der Person des Sachverständigen. Dabei geht es laut Herrnhofer nicht darum, "dass wir unseren Lieblingssachverständigen heranziehen wollen", sondern um die Qualität der Gutachten. "Es wird immer schwieriger, gute gerichtsmedizinische Gutachter zu finden. Natürlich nimmt man den erfahrensten", erklärt er. Die Auswahl ist nicht üppig: Laut der Österreichischen Gesellschaft für Gerichtliche Medizin gibt es 34 für Gerichtsmedizin registrierte Sachverständige, 21 davon an universitären Einrichtungen.
Faires Verfahren?
Herrnhofer sieht in der Institutsbeauftragung auch einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Denn der Beschuldigte müsse wissen, wer das Gutachten anfertigt. Schließlich könne er einen bestimmten Sachverständigen etwa wegen Befangenheit ablehnen. Bei einer Institutsbeauftragung sei das nicht mehr möglich.
Den Richtern bleibt jedoch weiterhin die Option, einen bestimmten Sachverständigen direkt zu beauftragen - das aber nur, wenn die Person kein Angehöriger eines Instituts ist. Für Herrnhofer geht diese Option ins Leere: "Wenn die Institutsbeauftragung einmal im Gesetz steht, dann beschweren sich die Leute, wenn man kein Institut beauftragt", prophezeiht er.
Werken ohne Aufsicht
Inmitten der lautstarken Kritik an der Gesetzesänderung gibt es aber auch Befürworter - wie zum Beispiel Kathrin Yen, Institutsleiterin der Gerichtsmedizin in Graz. Die Professorin ist "sehr für eine Institutsbeauftragung", denn erst diese würde Qualitätssicherung ermöglichen. In Österreich könne derzeit jeder Sachverständige werken, wie er es selbst für richtig hält. Würde ein Institut mit einem Gutachten beauftragt werden, so könne dieses Qualitätsstandards - wie etwa standardisierte Methoden und Abläufe - von seinen Mitarbeitern einfordern. Darüber hinaus könne man an allen Instituten ein Vier-Augen-Prinzip einführen.
"Auch organisatorisch bringt die Institutsbeauftragung eine große Erleichterung", glaubt Yen. Die Aufgabe, einen Sachverständigen zu suchen, würde von Richtern und Staatsanwälten an das Institut ausgelagert. Zudem würde die Ausbildung des gerichtsmedizinischen Nachwuchses wie auch die Durchführung von Forschungsprojekten sichergestellt. Zur Untermauerung der Vorzüge der Institutsbeauftragung verweist Yen auf Deutschland und die Schweiz, wo dieses System gut funktionieren würde.
Keine Qualitätsverbesserung, sondern eine -verschlechterung durch die Institutsbeauftragung erwartet Walter Rabl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gerichtsmedizin. "Es besteht die Gefahr, dass der Institutsleiter denjenigen mit dem Gutachten betraut, den er am wenigsten für die Forschung braucht." Rabl sieht durch die Institutsbeauftragung auch die Unabhängigkeit der Sachverständigen gefährdet.
Laut Justizministerium soll die Gesetzesänderung im Oktober in Kraft treten.