Generäle nützen politischen Einfluss, um Geschäfte zu machen.
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Kairo. Sie besitzen Industrieunternehmen für Lebensmittel oder Baumaterialien, sind im Tourismus dick im Geschäft, leben in abgeschirmten, luxuriösen Wohnanlagen und werden von eigenen Krankenhäusern umsorgt: Die ägyptischen Generäle sind nicht nur politisch eine Macht, die seit Jahrzehnten das Sagen im Land hat, sondern auch die größten Unternehmer des Landes.
10 bis 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entfallen laut Schätzungen auf die Konzerne des Militärs. Genaue Statistiken über die Umsätze des Firmengeflechts der Armee sucht man jedoch vergeblich. Und der jährliche Verteidigungshaushalt ist sowieso ein Staatsgeheimnis.
Ob das Militär in Zukunft zu mehr Transparenz bereit sein wird, ist fraglich. Der Militärrat, der nun nach dem Sturz von Langzeitherrscher Hosni Mubarak die Geschicke das Landes leitet, soll die Macht an eine zivile Regierung übergeben. Eingeleitet wird dieser Prozess mit der ersten Runde der Parlamentswahlen am 28. November. Doch in Ägypten ist nun eine heftige Debatte über die zukünftige Rolle der Armee entbrannt.
Ausgelöst wurde diese durch den Anspruch der Armee, zukünftig eine übergeordnete Rolle im Staat einzunehmen. Im Entwurf für die neue Verfassung will sich das Militär als deren Hüterin definieren. Dies wurde dahingehend interpretiert, dass bei politischen Fragen die Armee das letzte Wort behält. Zudem möchte sich der Militärrat ein Vetorecht gegen alle Gesetze sichern, die die Streitkräfte betreffen, deutete Vizepremier Ali al-Salmi in einem Interview mit der Kairoer Zeitung "Al-Ahram" an.
Öffentlicher Aufschrei
Die Folge war ein öffentlicher Aufschrei. Muslimbrüder und säkulare Kräfte riefen zu Massenprotesten auf. "Die Volkskräfte werden es nicht dulden, dass eine kleine Minderheit dem Land ihren Willen aufzuzwingen versucht", erklärte Saad al-Ketatni, der stellvertretende Vorsitzende der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, hinter der die Muslimbruderschaft steht. Nun deutete die Übergangsregierung an, dass sie zu einem Einlenken bereit ist und über die strittigen Punkte noch einmal diskutiert werden kann. Demokratieaktivisten fürchten aber, dass es sich dabei nur um Lippenbekenntnisse handelt.
Die ägyptische Armee hat sich jedenfalls daran gewöhnt, ein Staat im Staat zu sein und das letzte Wort zu haben. Der Reichtum der Streitkräfte basiert auf ihrem politischen Einfluss. Der war immer gewaltig und ist es bis heute. 1952 putschte das Militär gegen die Monarchie und stellte seitdem alle Präsidenten des Landes. Nachdem Staatschef Anwar as-Sadat 1979 mit Israel einen Friedensvertrag abgeschlossen hatte, setzte die Militärhilfe der USA für Ägypten ein. Bis heute erhält Ägyptens Armee jährlich etwa eine Milliarde Dollar aus den Vereinigten Staaten, wo auch hochrangige Militärs ausgebildet werden. Die ägyptischen Streitkräfte sind derzeit die größten im arabischen Raum, ihre Truppenstärke soll bei 350.000 Mann liegen. Nach der Ermordung Sadats durch Islamisten übernahm Mubarak die Macht, der als Offizier bei den Luftstreitkräften gedient hatte. Nach außen war Mubarak mit dem Westen verbündet, nach innen förderte auch er auf die Stärke des Militärs. Einer seiner Weggefährten war Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, der von 1991 bis Anfang 2011 Verteidigungsminister war.
Während Mubarak nun wegen Korruptionsvorwürfen und dem Tod von Demonstranten vor Gericht steht, ist Tantawi der Vorsitzende des herrschenden Militärrats. Wurden die Generäle zunächst noch von der Demokratiebewegung dafür gefeiert, dass sie den Sturz von Mubarak ermöglicht hatten, ist dieses Band mittlerweile längst zerrissen. Sicherheitskräfte gingen immer wieder brutal gegen Demonstranten vor, unliebsame Blogger wurden von Militärgerichten in Schnellverfahren zu Haftstrafen verurteilt. Nach Mubarak ist in Ägypten zwar mehr Kritik erlaubt, doch wer sich mit dem Militär anlegt, lebt nach wie vor gefährlich.