Das Eingeständnis des Höchstgerichts ist bemerkenswert: Der Verwaltungsgerichtshof kann sich den im Schriftgut geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen nicht mehr verschließen, heißt es im jüngsten Rechtsakt des Gerichts. Und weiter: "Der Gesetzgeber habe offenbar den Versuch unternommen, in einer Art Quadratur des Kreises miteinander Unvereinbares als miteinander vereinbar erscheinen zu lassen". Es geht um die heftig umstrittene Belastung der Managerbezüge mit dem Dienstgeberbeitrag und mit der Kommunalsteuer.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die "Wiener Zeitung" hat über die jüngste Entwicklung bei der kritischen Beurteilung des Rechtsproblems bereits kurz berichtet. Dienstgeberbeitrag und Kommunalsteuer werden generell von den Bezügen der Dienstnehmer erhoben, auch von den Bezügen jener Geschäftsführer, die an "ihrer" Kapitalgesellschaft wesentlich, das heißt zu mehr als 25%, beteiligt sind.
Diese wesentlich Beteiligten werden - im Gegensatz zu ihren minderbeteiligten Kollegen - bloß auf Grund einer gesetzlichen Fiktion zu Dienstnehmern erklärt, obgleich sie - besonders deutlich bei Alleingesellschaftern - eher eine Unternehmerfunktion ausüben. Nach den Paragraphen des Steuerrechts ist aber die bloße Einbindung in den Organismus des Betriebes Ausschlag gebend; die faktische Weisungsungebundenheit der Manager sei dagegen "wegzudenken".
Problematische Fiktion
In unzähligen Fachartikeln und Rechtsgutachten wurde die Unhaltbarkeit dieser gesetzlichen Fiktion und damit die ungerechtfertigte Abgabepflicht der Gesellschaften hinsichtlich Dienstgeberbeitrag und Kommunalsteuer aufgezeigt. In ebenso zahlreichen Judikaten haben Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshöfe diese Expertenmeinungen verworfen und die bezüglichen Gesetzesstellen immunisiert.
Umso größer ist die Überraschung über die Auffassungsänderung bei den Verwaltungsrichtern, die sich nun doch zu einer Demarche vor dem Verfassungsgericht entschlossen haben: mit dem Ziel, die umstrittenen Gesetzesstellen aufheben zu lassen.
Divergente VwGH-Rechtsprechung
Damit wird die juristische Konfusion um die umstrittene Steuerpflicht neuerlich um eine Facette bereichert. In mehreren Judikaten hatte gerade das Verfassungsgericht die bezügliche Rechtsfrage negativ beurteilt, hatte es zuletzt sogar abgelehnt, weitere Beschwerden zur Sache zu behandeln, so dass namhafte Anwälte und Wirtschaftstreuhänder ihren Mandanten bereits signalisierten, von weiteren Verfahren abzusehen.
Die jetzige Situation zeigt zudem die Divergenz der Recht-sprechung im Verwaltungsgerichtshof selbst auf. Von den drei "Steuerrechts-Senaten" hatten die Senate 14 und 15 den von ihnen behandelten Beschwerden keine Chance ge-lassen. Erst der in seiner Haltung deutlich kritischere Senat 13 hat sich nun entschlossen, den Verfassungsgerichtshof neuerlich einzuschalten.
Wege zum Anlassfall
In einem Rundschreiben der Kammer der Wirtschaftstreuhänder an ihre Mitglieder wird empfohlen, sämtliche bei den Behörden anhängige Berufungsverfahren (hinsichtlich Dienstgeberbeitrag bei der Finanzverwaltung) oder Vorstellungsverfahren (hinsichtlich der Kommunalsteuer) jeden-falls planmäßig weiter zu betreiben. Um in die mögliche Anlassfallwirkung einer erhofften Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu kommen, sollte in jedem einzelnen Fall eine VfGH-Beschwerde eingebracht werden, heißt es in der Empfehlung.
In Fällen, in denen es noch keine bescheidmäßigen Festsetzungen gibt, sollten solche Festsetzungen beantragt werden, damit deren Bekämpfung und Anlassfallgeltung möglich wird. Hinsichtlich der laufenden Abgaben sollte nach Ansicht der Kammer weiterhin die monatliche Meldung der Steuerbeträge beachtet werden, allerdings mit gleichzeitiger Stundung, allenfalls Bekämpfung eines folgenden Festsetzungsbescheides.
Angst vor Massenbeschwerden
Der Fachsenat der Kammer glaubt, dass im Fall der erhofften Gesetzesaufhebung - ähnlich wie seinerzeit bei der Mindestkörperschaftsteuer - auch bereits rechtskräftige Abgabenfestsetzungen aufgehoben werden; sicher sei das aber nicht.
Dazu unterstützend planen die Treuhänder, beim Verfassungsgericht anzuregen, dass ein aufhebendes Erkenntnis allen im Rechtsmittelverfahren befindlichen Fällen (auch den rechtskräftig entschiedenen) zugute kommen möge. Ein Vorschlag, der auch dem Gerichtshof gefallen müsste, weil die zu erwartenden Massenbeschwerden auf diese Weise abgeblockt werden könnten.