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Streit um US-Botschaftsbau wird zur Posse

Von Cornelia R. Kowalski Berlin

Politik

· Der jahrelange Streit zwischen Berlin und Washington um die künftige US-Botschaft in Deutschland wird allmählich zu einer diplomatischen Posse. Streitobjekt ist nicht der Neubau der | Mission, sondern die Örtlichkeit · nämlich der Potsdamer Platz. Das State Department will den Bau an historischer Stelle direkt am Brandenburger Tor, der Berliner Senat jedoch ist nicht bereit, die | damit verbundene Sicherheitsforderung zu akzeptieren.


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Vor allem seit den Bombenanschlägen 1998 in Nairobi und Daressalam besteht Washington auf besonderen Maßnahmen bei der Absicherung seiner diplomatischen Vertretungen. Dies soll auch in Berlin

gelten und würde bedeuten, dass eine zirka 30 m breite Schutzzone mit Zaun und Pollern um das Gebäude gezogen wird. Ferner fordert die US-Administration die hermetische Abriegelung der südlichen

Botschaftsfront.

Berlins Politiker und Stadtplaner lehnten dieses Ansinnen bisher ab. Um der Forderung der Amerikaner nachzukommen, müsste man gleich zwei Straßenzüge am Brandenburger Tor verändern, was die

Architektur des Potsdamer Platzes erheblich beeinträchtigen würde. Und die Abriegelung der Botschaft nach Süden würde gleich einen weiteren Streit vom Zaun brechen, denn sie berührt das Terrain des

geplanten Holocaust-Mahnmals.

Das Problem wird vor allem deshalb zur Posse, weil man sich jetzt selbst in Washington um den Potsdamer Platz streitet. Die CIA, auch verantwortlich für die Sicherheit von Botschaften, und das

Berliner Landeskriminalamt raten von dem geplanten Standort ab, da der Platz kaum zu schützen sei. Dieser Auffassung soll sich das State Department angeschlossen haben. Nun befassen sich US-Kongress

und Repräsentantenhaus mit dem "Berliner Problem", wobei die Fronten verschwommen sind. Noch will die Mehrheit am alten Bauplan festhalten.

Die Berliner werden ob der starren Haltung Washingtons langsam sauer. Immer häufiger hört man Äußerungen wie "Großmachtgehabe" und "Einmischung in Berliner Angelegenheiten", worauf die Amerikaner

kontern, die Stadt sei "undankbar und hat vergessen". Berlin habe nichts vergessen, wiederholt der Regierende Bürgermeister, Eberhard Diepgen (CDU), schon fast gebetsmühlenartig und erinnert an die

heurigen Feiern zum 50. Jubiläum der Luftbrücke. Jeder (West)-Berliner weiß um die "Aktion Rosinenbomber", als die Amerikaner während der sowjetischen Blockade die Menschen buchstäblich vor dem

Verhungern und Erfrieren bewahrten.

So versucht Diepgen, Sieger der Landtagswahlen vom 10. Oktober, eine diplomatische Brücke von der Spree zum Potomac zu bauen. Bis zum Jahresende soll ein erneutes Gutachten des Berliner Senats zum

US-Botschaftsstandort angefertigt werden. Berlin signalisiert dabei Dialog- und Kompromissbereitschaft. So steht noch immer das Angebot, eine Sicherheitszone bis zu 22 m zu gewährleisten oder einen

Platz im nur wenig entfernten Diplomatenviertel Tiergarten zur Verfügung zu stellen.