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Streit um Wagenknecht zerreißt deutsche Linke

Politik
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war Ziel von Sahra Wagenknechts Angriff.
© Reuters / Michel Tantussi

Die umstrittene Politikerin betreibt mit Aussagen zu Russland Opposition gegen die offizielle Parteilinie - und sorgt für Spaltung und Austritte.


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Berlin. Die deutsche Linke war immer schon schwer zusammenzuhalten. Denn sie besteht aus den verschiedensten Flügeln. So fordert etwa die "Antikapitalische Linke" den vollkommenen "Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen" und steht selbst in der Linkspartei linksaußen, während das "Netzwerk Reformlinke" einen pragmatischen Ansatz verfolgt, der Regierungsbeteiligungen ermöglichen soll. Hinzu kommen Diskussion zwischen meist jüngeren identitätspolitisch bewegten Funktionären und älteren Veteranen, die fürchten, dass ein zu großer Fokus auf Minderheitenrechte und Genderdebatten die einkommensschwache Wählerbasis mit der Arbeiterschaft entfremdet.

Mittlerweile scheint es aber so, dass es bei Streitereien der Linken nur noch um eine Person geht: Sahra Wagenknecht. Und die prominenteste Linkspolitikerin hat es mit ihrer jüngsten Rede im Bundestag nun geschafft, ihre Partei nicht nur zu polarisieren, sondern Teile von ihr abzusprengen. So haben einige Linkspolitiker ihren Austritt aus der Partei bekannt gegeben, darunter etwa der langjährige nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Knud Vöcking oder Ulrich Schneider, der als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes auch gern gesehener Gast in Talkshows ist. Was Wagenknecht "vom Stapel ließ", sei zu viel gewesen, teilte er frustriert mit.

"Die dümmste Regierung"

Diese hatte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP als "die dümmste Regierung in Europa" bezeichnet und für die hohen Energiepreise und einen beispiellosen Wohlstandsverlust verantwortlich gemacht. "Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen", wetterte Wagenknecht. Zwar bezeichnet sie Russlands Krieg in der Ukraine als Unrecht. Trotzdem verlangte die 53-Jährige von der Regierung, dass diese umgehend auf den Kreml zugehe: "Verhandeln wir in Russland mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen!"

Schon im Vorfeld des Parteitags der Linken hatte sich Wagenknecht gegen den Leitantrag der Parteiführung gestemmt, der Russlands Angriffskrieg als völkerrechtswidrig bezeichnet und Sanktionen gegen die ökonomische Basis des Putin-Regimes befürwortet hatte, sofern diese nicht zur Verarmung der Mehrheit der Bevölkerung führen. Mit ihrer Rede opponierte sie erneut gegen die offizielle Parteilinie, was ihr neben heftiger Kritik auch Applaus und Zuspruch von einigen Linkspolitikern einbrachte.

Wagenknecht, die sich mit ihrer Vorliebe für gute Restaurants und ihrem bürgerlichen Habitus immer schon vom Rest der Linken abhob, betrieb bereits oft Opposition gegen die eigene Partei. Auch diesmal verteidigte sie ihre Rede damit, dass sie viel öffentliche Zustimmung erhalten habe.

Immer wieder werden Stimmen laut, die ihren Parteiausschluss fordern. Das Problem ist aber, dass - vielleicht mit Ausnahme von Gregor Gysi - niemand in der Linken über so viel öffentliche Präsenz verfügt wie Wagenknecht. So erreicht der YouTube-Kanal der geschickten Selbstvermarkterin regelmäßig mehr als eine Million Klicks.

Bei der vergangenen Wahl kam die Linke lediglich auf 4,9 Prozent der Stimmen und schaffte nur aufgrund von Direktmandaten den Sprung in den Bundestag. Die Sorge ist daher groß, dass Wagenknecht bei einem Rauswurf ihre eigene Bewegung startet und so die Linke weiter schwächt.(klh)