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Streit um Wahlkarten

Von Christian Rösner

Politik
Stein des Anstoßes: die Wahlkarten-Abholer.
© wkw

Wirtschaftskammer wirbt mit "Abholservice" für Wahlkarten. Nicht allen gefällt das.


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Wien. Die Aufregung ist groß. Die kleinen wahlwerbenden Parteien, aber auch Verfassungsexperten, sehen die anstehende Wiener Wirtschaftskammerwahl gefährdet. Der Grund: Die Wirtschaftskammer bietet als "Service" eine Wahlkartenabholung an den Betriebsstandorten an. Auch auf der Homepage der Wiener Wirtschaftskammer (WKW) heißt es wörtlich: "MitarbeiterInnen der Wirtschaftskammer werden Sie im Zeitraum 11. bis 23. Februar an Ihrem Betriebsstandort besuchen und Ihnen das Angebot machen, Ihre Wahlkarte in einer mobilen Wahlurne einzuwerfen."

"Das geht nicht", sagt dazu Heinz Mayer vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien gegenüber der "Wiener Zeitung". Denn laut Verfassung müsse das von einer Wahlbehörde erledigt werden: "Es muss sichergestellt sein, dass es keine Manipulationen gibt. Und das kann man dadurch erreichen, dass man weisungsgebundene Beamte dazu verpflichtet, den Wahlvorgang durchzuführen. Aber nicht, indem man Funktionäre von politischen Parteien bestellt", so Mayer weiter.

Der Verfassungsrechtler Bernhard Funk sieht das "Abholservice" zumindest als "problematisch" an. "Und zwar, weil die Freiheit zu wählen oder auch nicht zu wählen, beeinträchtigt werden könnte - einschließlich der Freiheit, das Dritten gegenüber nicht deklarieren zu müssen", so Funk.

"Nur zur Sicherheit"

Bei der Wirtschaftskammer versucht man zu beruhigen. "Wir machen das ja nur, um zu verhindern, dass wie bei der letzten Wahl Unbefugte die Wahlkarten abholen", heißt es da. Denn bis heute würde die Staatsanwaltschaft noch ermitteln, weil damals nicht ausgefüllte oder nicht zugeklebte Wahlkarten abgeholt worden seien. Aus diesem Grund wurden heuer im Auftrag der Hauptwahlkommission Mitarbeiter der Wiener Wirtschaftskammer eigens für die Wahlkartenabholung geschult. "Das heißt, die Wahlkarten werden an jene, die sie bestellt haben, ausgeschickt. Nach ein, zwei Tagen kommt dann eine Erinnerung mit der Bitte, die Wahlkarte zurückzuschicken. Und wenn sie die Karte nicht schicken wollen, bieten wir an, dass die ausgefüllten und verschlossenen Karten von Mitarbeitern der Wirtschaftskammer im Auftrag der Hauptwahlkommission übernommen werden können." Demnach seien die "Abholer" zwar keine Beamten, aber sehr wohl weisungsgebundene Mitarbeiter, die im Auftrag der Wahlbehörde agieren.

"Stimmt nicht", heißt es vonseiten kleinerer wahlwerbender Parteien. "Die Mitarbeiter sind alle entweder Wirtschaftsbündler oder ÖVP-Funktionäre", lautet der konkrete Vorwurf. Klickt man auf die Namen der auf der WKW-Homepage aufgelisteten Personen, so findet man Links zu WKW-Mitarbeitern u.a. vom Einkaufsstraßenmanagement und der jungen Wirtschaft. Eine Parteizugehörigkeit lässt sich daraus nicht ableiten, zumindest nicht direkt.

Tatsache scheint aber zu sein, dass die Wirtschaftskammer werbewirksam das "Abholservice" anbietet und nicht die Wahlbehörde, so wie das verfassungsrechtlich eigentlich vorgesehen ist. Dazu heißt es vonseiten der Wirtschaftskammer wiederum, dass man sich in der Hauptwahlkommission dezitiert auf diese Vorgangsweise geeinigt habe. Laut einem Mitglied der Wahlbehörde sei das allerdings nur ein Tagesordnungspunkt gewesen, der unter "Allfälliges" abgehandelt wurde. "Die haben einfach gesagt, wir machen das so und das war’s dann auch schon. Außerdem untersagt jetzt die Wirtschaftskammer die Abholung der Wahlkarten durch andere Personen. Das ist demokratiepolitisch schon sehr bedenklich."

Ähnlichkeiten

Dass diese ganze Diskussion dem Wahlkampf geschuldet ist, darüber sind sich zumindest die Verfassungsrechtler einig. So werden hier auch etwa - sozusagen im umgekehrten Sinne - Ähnlichkeiten mit der Diskussion über die Arbeiterkammerwahl im Vorjahr sichtbar. Damals wurde der Vorwurf erhoben, dass die FSG Wahlkampf für sich auf Kosten aller AK-Mitglieder gemacht hat. Schließlich wurde laut Kritikern auf allen Broschüren und Plakaten durch die Farbwahl des FSG-Logos deutlich gemacht, wem die Arbeiterkammer "gehört" - denn das FSG-Logo hatte dieselbe Farbe und bildete stets eine Einheit mit dem AK-Logo. Gleichzeitig wurde mit dem Konterfei von AK-Präsident Rudolf Kaske für die FSG geworben - auf Kammerkosten.

Wie das Amen im Gebet wird auch bei jeder Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien der Streit über das "Wahlkarten"-Service in den Altersheimen losgebrochen. Ein Streit, der ähnlich jenem aktuellen in der Wirtschaftskammer ist. Hier lautet wiederum die regelmäßige Rechtfertigung der SPÖ, dass hier fliegende Wahlkommissionen eingesetzt würden, welche weisungsfreie Beamte mit der Abholung der Wahlkarten beauftragen.

Keine Gesetzesübertretung

Darüber hinaus gebe es hier noch eine Schutzbestimmung, die besagt, dass niemand anderer die Übernahme bestätigen darf, als der Wahlkartenbesitzer. Aber auch hier müsste demnach der Satz gelten, dass durch diese Vorgangsweise die Freiheit zu wählen oder auch nicht zu wählen beeinträchtigt werden könnte - einschließlich der Freiheit, das Dritten gegenüber nicht deklarieren zu müssen. Eine Gesetzesübertretung dürfte aber in keinem der genannten Fälle stattfinden.