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Politologen stellen der Regierungsarbeit gutes Zeugnis aus. | Wirtschaftskrise schafft Harmonie. | Große Ziele für die nähere Zukunft fehlen. | Am Donnerstag ist die Regierung Faymann/Pröll 100 Tage im Amt und damit ist auch ihre Schonfrist vorbei. Die Lehrer haben ausgerechnet für diesen Jubiläumstag ihre ersten Dienststellenversammlungen gegen eine Ausweitung der Unterrichtszeit um zwei Stunden angesetzt und lassen die Muskeln spielen.
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Bisher sind noch keine großen Flops der handelnden Akteure - 14 Minister und vier Staatssekretäre - auszumachen. Sowohl die Sozialdemokratie als auch die Volkspartei steigt im Vergleich zum katastrophalen Wahlergebnis vom 28. September 2008 - erstmals sind beide Großparteien unter die 30-Prozent-Marke gefallen - in der Gunst der Wähler. Der vielzitierte Kuschelkurs ist der Bevölkerung offenbar allemal lieber als die permanente Streiterei der Vorgängerregierung. "Teamgeist" nennt das Bundeskanzler Werner Faymann.
Die Regierung sieht sich einer Wirtschaftskrise gegenüber, die in der Geschichte der Zweiten Republik beispiellos ist. Politologe Peter Filzmaier bezeichnet die Regierungsparteien als "Nutznießer der Wirtschaftskrise, so paradox das auch klingen mag". Auch Politikberater Peter Hayek findet, dass die Regierung angesichts dieser Krise "ihre Sache gut macht". "Die neue Regierung hat ein großes Thema und dazu hat sie gute und interessante Vorschläge gemacht. Damit punktet sie offenbar in der Bevölkerung", urteilt Meinungsforscher Peter Ulram.
Und obwohl üblicherweise gerade in Krisenzeiten die Opposition Punkte sammelt, tut sie das hierzulande derzeit nicht. Wenn die Regierung nämlich Projekte und Reformmaßnahmen vorlegt, gerät die Opposition in Zugzwang und muss sich positionieren. Das kann man auch an einer der ersten großen Debatten der neuen Regierung sehen. Sowohl das BZÖ als auch die FPÖ stellen sich im Lehrer-Streit hinter die Unterrichtsministerin. Nur die Grünen, die zwar die Blockierer-Methoden der Lehrer-Gewerkschaft verurteilen, stellen sich gegen Claudia Schmied. Sie tun dies, weil Lehrer eine ihrer maßgeblichen Wählergruppen sind. Der Kanzler positioniert sich zu 100 Prozent hinter Schmied. Und Vizekanzler Josef Pröll fällt Schmied zumindest nicht in den Rücken.
Leadership macht sich bezahlt in der Politik, sagt Hayek. Wenn die Menschen verstehen, dass die Politik auch einmal gegen den Willen von Bevölkerungsgruppen handelt und die Menschen den Sinn erkennen, gehen sie auch mit.
Über der großen Anstrengung zur bestmöglichen Umschiffung der Wirtschaftskrise erkennt man aber derzeit die großen Ziele noch nicht. Immerhin ist die Regierung Faymann für fünf Jahre gewählt. Man sieht noch nicht, wie SPÖ und ÖVP sich Österreich im Jahr 2015 denken.
Dazu zählt auch, dass sich SPÖ und ÖVP der Debatte nach ihrer Wählerklientel stellen müssen. Es gibt weder das klassische Bürgertum noch die Arbeiterschaft - das zeigen die beiden Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg vom 1. März. Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen - das ist bei allen Reformen im Auge zu behalten.