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Partei des Premiers zerbröselt - ultimativer Brief von sechs Abgeordneten.
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Rom. Der seit Wochen schwelende Streit zwischen Regierungschef Silvio Berlusconi und seinem Finanzminister Giulio Tremonti eskaliert - jüngster Anlass war die ohne konkretes Ergebnis am Mittwochabend zu Ende gegangene Sondersitzung der italienischen Regierung. Diese hätte neue Reformpläne entwerfen sollen, um das Vertrauen der Finanzmärkte wiederzugewinnen.
Italienische Medien berichteten am Donnerstag, Tremonti habe auf einen Rücktritt Berlusconis gedrängt, um den Märkten ein Zeichen der politischen Wende zu geben. "Wenn ihr mich meine Arbeit hättet machen lassen, ohne mir Stöcke in die Räder zu werfen, wären wir heute wahrscheinlich nicht in dieser Lage", bemerkte Tremonti - worauf Berlusconi in gleicher Münze heimzahlte: "Wenn man mich Ministerpräsident hätte sein lassen, ohne mir Stöcke zwischen die Räder zu werfen, wärst du heute wahrscheinlich nicht Finanzminister." Der international angesehene Tremonti, der immer wieder als möglicher Nachfolger Berlusconis gehandelt worden war, bot daraufhin seinen Rücktritt an.
Berlusconi will sich in der kommenden Woche neuerlich einem Vertrauensvotum stellen, um seine Wirtschaftsreformen durchzubringen. Unterdessen wird seine Lage immer prekärer. Am gleichen Tag, an dem die Regierung um ein Dekret für sofortige Anti-Krisen-Maßnahmen rang, tagten im Luxushotel Hassler an der Spanischen Treppe dissidente Abgeordnete der Regierungspartei. Sechs Abgeordnete - darunter so prominente wie der frühere Parteikoordinator, Regionalpräsident von Friaul und Staatssekretär Roberto Antonione und Maurizio Paniz, der Berlusconi in der Affäre um das minderjährige Callgirl Ruby verteidigt hatte, veröffentlichten einen Brief, in dem sie seinen Rücktritt forderten. Zwei weitere Abgeordnete gaben am Donnerstag ihren Übertritt in die oppositionelle UDC bekannt.
Als Nachfolger für Berlusconi in einer Regierung, in der auch die Parteien des dritten Pols - Gianfranco Finis FLI und die christdemokratische UDC - vertreten sein sollen, werden der Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, Gianni Letta, oder Senatspräsident Renato Schifani genannt.
Der Vorsitzende der Regierungspartei PdL, Angelino Alfano, warf dem Chef der UDC, Pier Ferdinando Casini, vor, eine neue politische Gruppierung zu lancieren und ein Dutzend PdL-Abgeordnete abzuwerben, um die Regierung zu stürzen. In der PdL befürchtet man, es könnte kommenden Dienstag bei der neuerlichen Abstimmung über den Haushaltsabschluss für 2010 so weit sein. Für den Fall eines Sturzes Berlusconis wird aber auch über eine breite Regierung unter Ex-EU-Kommissar Mario Monti spekuliert.