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Vatikanstadt - Zwölf Jahre nach dem ersten Angriff der US-Streitkräfte gegen den Irak, der seinerzeit zu einem offenen Dissens zwischen George Bush senior und Papst Johannes Paul II. führte, stehen die Beziehungen zwischen den USA und dem Vatikan erneut vor einer Belastungsprobe. Grund sind die unterschiedlichen Bewertungen angesichts des zweiten Irak-Kriegs, den Bush junior seit Monaten vorbereitet.
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Fast parallel zur anschwellenden US-Kriegspropaganda haben der Papst und seine außenpolitischen Vertreter in den vergangenen Wochen immer deutlicher gegen die Variante eines "Präventivkriegs" Stellung bezogen und vor den unabsehbaren Folgen für die Zivilbevölkerung und für die gesamte Nahostregion gewarnt.
Bisheriger Höhepunkt im Crescendo vatikanischer Kassandra-Rufe war die Neujahrsansprache an das Diplomatische Corps, bei der Papst den drohenden Krieg zur "Niederlage der Menschheit" erklärte. Zuvor hatten bereits der vatikanische Außenminister, Erzbischof Jean-Louis Tauran, und der langjährige UNO-Gesandte des Papstes, Erzbischof Renato Martino, das Konzept des "Präventivkrieges" als unvereinbar mit der kirchlichen Lehre vom gerechten Krieg abgelehnt. Trotz der harschen Worte aus dem Vatikan zeigt sich der US-Botschafter beim Heiligen Stuhl, James Nicholson, zuversichtlich. In Interviews meinte er, dass der Papst und Bush mit ihren Positionen gar nicht so weit auseinander lägen. Denn Johannes Paul II. habe in seiner Rede den Krieg keineswegs in Bausch und Bogen abgelehnt, sondern ihn als "allerletzte" Lösungsmöglichkeit bezeichnet.
Hilfreich für Nicholsons Argumentation war ein Übersetzungsfehler in der offiziellen englischen Fassung der Papstrede. Im französischsprachigen Original hatte der Papst über den Krieg gesagt: "La guerre n'est jamais une fatalite" (Der Krieg ist niemals ein unausweichliches Schicksal). In der vatikanischen Übersetzung ins Englische heißt es an dieser Stelle: "War is not always inevitable" (Krieg ist nicht immer unvermeidbar) - eine Version, mit der die Bush-Regierung leben kann. Doch weiß auch der US-Botschafter, dass auf der Grundlage von Übersetzungsfehlern noch kein Konsens herzustellen ist. Und offenbar ist es weder ihm noch seiner Regierung gleichgültig, wenn ein Krieg gegen den Irak in der Weltöffentlichkeit so gesehen wird, als werde er vom Papst moralisch verurteilt.