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Streitaxt Gesundheitswesen

Von Ine Jezo-Parovsky

Politik

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Einstimmig verabschiedete der Nationalrat am 20. Jänner in der ersten Plenarsitzung nach dem Jahreswechsel ein neues Blutsicherheitsgesetz und eine Neuregelung für Rettungssanitäter. Das sah nach

Einigkeit der Fraktionen aus. War es aber keineswegs. In der vorangegangenen Debatte lieferten sich nicht nur Opposition und Regierungsparteien Wortgefechte. Auch die Koalitionspartner ÖVP und SPÖ

lagen sich in den Haaren.

Vorbildliche Blutsicherheit

Kleinere Kontroversen gab es schon bei der Diskussion um das Blutsicherheitsgesetz, das manche Redner aus den Regierungsparteien als "Meilenstein der Gesundheitspolitik" feierten. In Zukunft

werden Spender und Empfänger noch größere Gewißheit haben, daß alle nur möglichen Vorkehrungen zum Schutz ihrer Gesundheit getroffen werden:

Spender werden noch genauer auf ihre gesundheitliche Eignung untersucht. Blutspendeeinrichtungen müssen hohe personelle und technische Anforderungen erfüllen die Qualität des gewonnenen Blutes oder

der gewonnenen Blutbestandteile wird noch penibler überprüft.

Damit, so betonte Gesundheitsministerin Lore Hostasch, sei sichergestellt, daß die mit jedem einzelnen Glied der Bluttransfusionskette verbundenen Risken auf ein Minimum reduziert werden.

Vorgesehen ist auch eine Verordnung des Ministeriums, die verpflichtende Untersuchungen von Blutkonserven mit der modernsten Methode, der Polymerase-Kettenreaktion (kurz PCR) vorsieht. Mit diesem

Test ist es möglich, Krankheitserreger in gezogenen Proben zu vervielfachen. Im Klartext: Auch eine bisher kaum feststellbare Neuinfizierung eines Blutspenders mit HIV kann erkannt werden.

Kein Recht auf Entschädigung

Die Opposition bemängelte aber eine fehlende Regelung zur Entschädigung von Patienten, die durch Blutspenden mit Aids oder Hepatitis infiziert wurden. Der selbstbetroffene Freiheitliche

Abgeordnete Herbert Haupt, der durch Bluttransfusionen nach einem schweren Unfall mit Hepatitis infiziert wurde, stellte dazu fest, daß damit eine alte Forderung von zigtausend geschädigten

Österreichern erneut nicht berücksichtigt wurde. Die Gesundheitssprecherin der Grünen verwies dabei auf den im Vorjahr in allen Medien geschilderten Fall jenes 66jährigen Patienten, der durch eine

HIV-verseuchte Blutkonserve mit Aids infiziert worden war. Die Verantwortlichen bei Infizierungen durch Bluttransfusionen, so meinte Haidlmayr, seien nie zur Rechenschaft gezogen worden.

Teilchenlösung

Immerhin gestand die Opposition den Regierungsparteien wesentliche Verbesserungen durch das Blutsicherheitsgesetz zu.

Für heftige Auseinandersetzungen sorgte aber dann die Debatte zur Verabschiedung einer neuen Regelung für Sanitäter. Zwar begrüßten alle Parteien, daß es diesen aufopfernden Helfern in Zukunft

endlich erlaubt sein wird, nach einer 15stündigen Einschulung einen Defibrillator anzuwenden. Bis jetzt machten sich Sanitäter strafbar, wenn sie einem Menschen mit Herzstillstand durch den Einsatz

dieses halbautomatischen Elektroschock-Gerätes das Leben retteten.

Verboten ist es Sanitätern aber weiterhin, die anderen lebenserhaltenden Geräte in den Einsatzfahrzeugen zu bedienen. So wäre es zum Beispiel ein Verstoß gegen das Gesetz, wenn Sanitäter

Infusionsnadeln anlegen oder Atemstillstand durch Intubation bekämpfen würden. Denn dazu wäre eine bessere Schulung nötig. Ein Gesetz für eine fundierte Ausbildung, wie es Unfallärzte und auch viele

Sanitäter selbst schon lange fordern, scheiterte aber bis dato am Streit der Koalitionspartner.

Wahlkampftöne im Nationalrat

Die SPÖ gab dabei der ÖVP die Schuld. Das von der ÖVP unterstützte Rote Kreuz hätte anfänglich die "Milchmädchenrechnung" angestellt, daß ein solches Gesetz drei Mrd. Schilling kosten würde,

meinte der SPÖ-Abg. Walter Guggenberger. Denn dort habe man die Abschaffung der Ehrenamtlichkeit befürchtet und die hunderttausend Stunden der ehrenamtlich tätigen Sanitäter mit Kosten von drei Mrd.

Schilling berechnet.

In der Zwischenzeit hätte das Rote Kreuz aber eingesehen, daß die Ehrenamtlichkeit keineswegs in Zweifel gezogen werden soll. Die ÖVP-Abg. Maria Kallat, ätzte Guggenberger, hätte aber im Zusammenhang

mit einer fundierten Ausbildung der Sanitäter von einer "beispiellosen Schmutzkübelkampagne gegen die Ehrenamtlichkeit" gesprochen und den Vogel abgeschossen hätte der Salzburger Landeshauptmann

Schausberger, der das geplante Gesetz sogar mit einem "Todesstoß für Ehrenamtliche" verglich.

Der Standpunkt der SPÖ sei aber klar. "Die Ehrenamtlichkeit", so Guggenberger, "ist und bleibt eine zentrale, tragende Säule des Österreichischen Rettungswesens."

Schützenhilfe bekam Guggenberger von der LIF-Abg. Klara Motter. Sie kritisierte ebenfalls, daß die ÖVP das Gesetz im Gesundheitsausschuß verhindert hätte. "Ich bedaure", so Motters Kritik, "daß die

Österreichische Volkspartei ihre Interessen klar auf die Seite der Roten-Kreuz-Organisation gelegt hat." Daß es ohne Ehrenamtlichkeit hierzulande nicht gehe, wisse sie. Motter gab aber zu bedenken:

"Die Ehrenamtlichkeit darf aber nicht auf Kosten von Menschenleben gehen."

Scharfer Konter des ÖVP-Abg. Günther Leiner in Richtung Guggenberger und Motter: "Ihr macht's manchmal hier herinnen (im Parlament, Anm.) den Eindruck, als wenn wir mit dem Notarztsystem und mit dem

Rettungssystem noch irgendwo im Kongo wären." Der in Hofgastein praktizierende Primararzt, der maßgeblich an der Einrichtung eines dort gut funktionierenden Notarztsystems beteiligt war, hob hervor,

daß die Ausbildung in den Rettungsorganisationen hervorragend sei.

Österreichs Rettungssystem weise einen hohen Standard auf, sei aber nur durch ehrenamtliche Mitarbeiter gewährleistet. Diese Ehrenamtlichkeit müsse man aber möglich machen, gab er eindringlich zu

bedenken. Schon jetzt sei es schwierig, Ehrenamtliche für die Sache zu gewinnen. "Mit 1.600 Stunden Ausbildung", meinte Leiner, "werde ich keinen Ehrenamtlichen mehr bekommen."

Eine Wortmeldung, die durchaus geeignet war, die Gemüter noch weiter zu erhitzen. Denn Tatsache ist, daß viele Rettungsfahrzeuge ohne Notarzt unterwegs sind. Aus vorliegenden Statistiken, so betonte

die Grüne Abg. Theresia Haidlmayr, ginge hervor, daß "jährlich zwischen 300.000 und 400.000 Notfallpatienten keine notärztliche Versorgung erhalten." Sie forderte die ÖVP daher auf, ihre Widerstände

aufzugeben und einem Gesetz zuzustimmen, das es auch nichtärztlichem Personal · nach entsprechender Schulung · erlaubt, schon direkt am Unfallort oder während des Transports alle erdenklichen

lebensrettenden Maßnahmen setzen zu dürfen.

Dadurch würde es zwar in der ersten Zeit im Rettungswesen zu Mehrkosten kommen. In Summe würde sich die Ausbildung aber amortisieren, weil die Spitalskosten durch die bessere Erstversorgung der

Patienten gesenkt werden könnten. Die jetzige Regelung, resümierte die FPÖ-Abg. Brigitte Povysil, sei nur eine Notlösung in einem monatelangen Koalitionsstreit.

Über den Ministerialentwurf des Bundesgesetzes zur Ausbildung und zum Berufsbild des Sanitäters hätten SPÖ und ÖVP überhaupt keine Einigung erzielen können. Und das, so die Kritik der Kinderärztin,

sei eine Form der Politik, wie sie von den Regierungsparteien vorgeführt werde, "die absolut inakzeptabel und abzulehnen ist."

Verschoben ist nicht aufgehoben

Hostasch appellierte schließlich an den ÖVP-Abg. Leiner, die Diskussion fair zu führen. Es sei der Eindruck erweckt worden, als würde undifferenziert ein Ausbildungsniveau von 1.600 Stunden

verlangt werden. Das aber sei nur in Ausnahmefällen vorgesehen. "Diese Irritationen", so Hostasch, "sollten wir nicht mehr machen."

Um eine bestmögliche Versorgung zu garantieren rief sie alle auf, zu versuchen, so schnell wie möglich zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen: "Für die Patienten, für die Ehrenamtlichen, für die

Hauptamtlichen und für die Rettungsorganisationen."Õ

Ine Jezo-Parovsky ist Mitarbeiterin der ORF-Parlamentsredaktion