Zum Hauptinhalt springen

Streitbarer Louis, die freche Lippe

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Einigung über den EU-Haftbefehl hat ein Nachspiel für den schwergewichtigen belgischen Außenminister, Louis Michel, in Belgien liebevoll "die Lippe" genannt. Ist er Österreichern als berühmt berüchtigter Befürworter der "Sanktionen" der 14 EU-Partner gegen die Bundesregierung in Erinnerung, hat er es sich inzwischen auch mit Italiens Regierungschef, Silvio Berlusconi, verscherzt. Beim Antritt der rechts gerichteten Regierung hatte der liberale belgische Außenminister ebenso wenig mit Kritik gespart. Erst vergangene Woche war es seinem Regierungschef, Guy Verhofstadt, als EU-Ratspräsident gelungen, Berlusconi zu einem Kompromiss zum europäischen Haftbefehl zu überreden - buchstäblich in letzter Minute, um einen weiteren Streitpunkt von der überladenen Tagesordnung des EU-Gipfels fern zu halten. Berlusconi war vorgeworfen worden, aus persönlichem Interesse (da er des Betrugs und der Korruption verdächtigt wird) den gemeinsamen Haftbefehl blockiert zu haben. Als "Geschenk" für das späte Einlenken Italiens wurde nun Ex-Premier Giuliano Amato zu einem der - ursprünglich nicht vorgesehenen - Stellvertreter des Konventspräsidenten ernannt. "Ich habe ein bisschen taktiert...", gab sich Berlusconi in der Abschlusspressekonferenz in Brüssel überaus zufrieden.

Umberto Bossi, Chef der separatistischen Lega Nord und Minister für Reformen, versuchte noch, den Schwarzen Peter an die EU-Ratspräsidentschaft zurück zu spielen: Belgiens Außenminister Michel selbst habe sich dagegen gewehrt, dass Pädophilie in die Liste der Delikte, für die der EU-Haftbefehl droht, aufgenommen werden sollte. "Das ist absoluter Schwachsinn", kommentierte Premierminister Verhofstadt knapp. Der involvierte Außenminister nimmt es gelassen: Er habe es sich herausgenommen, Bossi zu kritisieren. "Ich kenne Bossis radikale, extreme, rechtsextreme und fremdenfeindliche Haltung." Michel hat rechtliche Schritte gegen Bossi angekündigt. "Nichts leichter als das."