Seit 1. Juli ist das neue Nachbarschaftsrecht in Kraft. Die Novelle bringt neue Rechtsbehelfe gegen den Entzug von Luft und Licht und schafft die Grundlagen für eine außergerichtliche Regelung im Konfliktfall.
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Frau Huber (Name von der Red. geändert) ist Eigentümerin eines Einfamilienhauses mit kleinem Garten, der auf drei Seiten von wuchernden Bäumen und Sträuchern der Nachbarn umgeben ist. "Ab 9 Uhr sollte die Sonne auf meine Terrasse scheinen, aber wegen der hohen Bäume kommt sie nur zu Mittag kurz durch", beschwert sich Frau Huber, "Die Solaranlage funktioniert wegen des Schattens der Bäume ebenfalls nicht und im Garten kann ich nichts anbauen, weil der Boden schon ganz sumpfig ist". Obendrein wüchsen die Pflanzen der Nachbarn aufs eigene Grundstück hinüber und hinterließen jede Menge Laub.
Bisher konnte Frau Huber nur die Wurzeln der fremden Bäume ausreißen und die auf ihr Grundstück überhängenden Äste abschneiden. Sie konnte auch das Obst auf diesen Ästen pflücken und selbst verwerten. Den Schattenwurf der Pflanzen der Nachbarn musste sie aber erdulden.
Entzug von Licht oder Luft
Nach der neuen Rechtslage müssen die Nachbarn bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht nehmen. Ein Grundstückseigentümer kann sich jetzt gemäß § 364 Abs 3 des Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuchs (ABGB) gegen den Entzug von Licht oder Luft (sogenannte negativen Immissionen) durch Bäume oder andere Pflanzen des Nachbarn wehren. Gegen andere Emissionen, etwa Wasser oder Lärm, konnte schon bisher vorgegangen werden.
Unterlassungsklage
Nicht jeder Entzug von Licht oder Luft durch Pflanzen berechtigt allerdings zu einer Unterlassungsklage. Er muss vielmehr das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Bei der Überschreitung des ortsüblichen Maßes wird es auf die Art der Grundstücke, deren Widmung und Benützung ankommen. Ein Garten wird eher beeinträchtigt sein als ein Industriegelände, ein kleines Grundstück eher als ein großes, ein Grundstück in einem Kleingartenverein eher als ein Grundstück in einer waldreichen Gegend.
Die unzumutbare Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks ist ebenso unbestimmt. So bewertet der Gesetzgeber selbst eine Beeinträchtigung durch fremde Pflanzen als unzumutbar, wenn die körperliche Sicherheit von Personen gefährdet wird, wenn größere Teile des Grundstücks mangels Lichteinfalls versumpfen oder vermoosen, wenn der Schattenwurf auch an hellen Sommertagen eine künstliche Beleuchtung der Räume des Nachbarn notwendig macht oder die Solaranlage unbrauchbar wird. Zumutbar wäre hingegen die Beschattung lediglich eines schmalen Streifens an der Grundgrenze oder der Entzug der Aussicht.
Herabfallendes Laub, Harz
Positive Immissionen, wie etwa herabfallendes Laub wird man jetzt nach § 364 Abs 2 ABGB beurteilen können. Da die Beeinträchtigung durch Laub wohl meist ortsüblich sein wird, wird man dagegen auch in Hinkunft nichts unternehmen können. Herabfallendes Harz, das den Lack geparkter Autos beschädigt, könnte im Einzelfall aber zu einer Unterlassungsklage berechtigen. Klargestellt wird nunmehr auch, dass öffentliche Interessen, wie etwa jene des Naturschutzes vom neuen Nachbarrecht unberührt bleiben. Ein unter Naturschutz stehender Baum etwa wird von dem dadurch beeinträchtigten Nachbarn nicht beseitigt werden können.
Schlichtungsstellen
Der beeinträchtigte Nachbar darf nicht sofort Unterlassungsklage gegen seinen Nachbar bei Gericht einbringen. Er muß vielmehr zuerst eine gütliche Einigung versuchen. Dazu muss er eine von einer Rechtsanwaltskammer oder von der Notariatskammer oder einer sonstigen öffentlichen Körperschaft eingerichtete Schlichtungsstelle mit der Sache befassen, einen Vergleichsversuch bei Gericht beantragen oder mit Zustimmung des Nachbarn einen Mediator bestellen. Erst wenn dort innerhalb von drei Monaten keine Einigung erzielt werden kann oder der Nachbar eine solche außergerichtliche Einigung von vornherein ablehnt, kann die Unterlassungsklage bei Gericht eingebracht werden. Die Kosten des außergerichtlichen Schlichtungsversuchs trägt zunächst derjenige, der den Einigungsversuch angestrebt hat. Wenn keine Einigung erzielt wird, kann im Unterlassungsverfahren Kostenersatz vom Gegner miteingeklagt werden.
Nach wie vor steht es dem Eigentümer eines Grundstückes auch jetzt jederzeit frei, Pflanzen direkt an der Grundstücksgrenze zu setzen oder wachsen zu lassen. Auch nach der neuen Rechtslage dürfen die Wurzeln des fremden Baumes auf dem eigenen Grundstück entfernt, die hereinragenden Äste abgeschnitten werden (§ 422 ABGB). Es muss dabei aber nun fachgerecht und unter Schonung der Pflanze vorgegangen werden. Die für die Entfernung der fremden Pflanzenteile anfallenden Kosten hat der Grundstückseigner selbst zu tragen. Wenn jedoch die eindringenden Wurzeln oder Äste einen Schaden angerichtet haben oder ein solcher offensichtlich droht, dann werden diese Kosten zwischen den beiden Nachbarn geteilt. n