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Ein Wirtschaftskammer-Funktionär tritt zurück, die Neos treten an - bei der Kammerwahl 2015.
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Wien. Fritz Amann ist, wie man so sagt, das Geimpfte aufgegangen. Das kann schon einmal passieren, wenn man in einer Zeitung genau das Gegenteil von dem liest, was man selbst für richtig hält. Im Fall des Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer war dies ein Leitartikel zum harten Dasein der Ein-Personen-Unternehmen im "Wirtschaftsblatt", auf den er polemisch mit einem Gastkommentar ebendort reagierte. EPUler seien in Wahrheit "Arbeitslose" und "Tagelöhner" und überhaupt seien die EPUs ein "echter Problemfall" für die Wirtschaft. Über die heftigen Reaktionen berichtete die "Wiener Zeitung" am Donnerstag, am Nachmittag trat Amann dann von seinem Amt zurück. Der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender nominierte Obmann Matthias Krenn als neuen Vizepräsidenten.
Ob EPUs ein Problemfall für die Wirtschaft sind, wie Amann schrieb, wird die Zukunft weisen, gegenwärtig sind sie aber jedenfalls ein Problemfall für die Wirtschaftskammer, wie die Affäre illustriert. Man könnte aber auch sagen: Die EPU sind in der Wirtschaftskammer der Regelfall. Derzeit sind 57 Prozent aller Mitglieder solche Ein-Personen-Unternehmen. Darunter finden sich selbständige Pfleger und Buchhalter ebenso wie Unternehmensberaterinnen oder der Besitzer eines Geschäfts für Handybedarf.
Schwer zu fassende Gruppe
Die Heterogenität dieser Gruppe stellt sich auch in anderer Art dar, wie eine Studie der KMU-Forschung belegt. Manche arbeiten selbständig aus Überzeugung, andere mangels Alternativen auf dem Arbeitsmarkt, die einen wollen wachsen und große Unternehmen werden, andere wollen alleine weitermachen. Es sind die daraus entstehenden, sehr unterschiedlichen Bedürfnisse, die ein grundsätzliches Problem für jede Interessenvertretung bedeuten.
Diese Diversität im Bild des Unternehmers ist eine für die Kammer relativ neue Entwicklung, zumindest gemessen an ihrem Alter. Die WKO wurde 1839 als Österreichischer Gewerbeverein gegründet. "Den kleinen Schustermeister hat es auch früher gegeben", sagt Volker Plass, Chef der Grünen Wirtschaft.
Das Wachsen des Dienstleistungssektors hat jedoch die Verhältnisse komplett geändert und neue Berufsbilder geschaffen. Es ist diese prinzipielle Herausforderung, die den Wutausbruch des nun ehemaligen Vizepräsidenten der WKO zu einer auch politisch hochinteressanten Angelegenheit macht. Denn 2015 sind Wirtschaftskammerwahlen. Zwar ändern sich Stimmungen im Wahlvolk immer wieder, doch im Fall der Kammerwahlen verändert sich das Wahlvolk als solches.
"Da steckt sehr viel Potenzial drinnen", sagt auch Karin Cvrtila vom Meinungsforschungsinstitut OGM. Nicht ganz zufällig haben die Neos auch die Aufregung um die EPU-Kritik dazu genützt, ihr Antreten bei den Kammerwahlen zu erklären. Dass die Neos den Wirtschaftsbund, der einst die politische Heimat von Parteichef Matthias Strolz war, herausfordern werden, war erwartet worden, nun machten die Neos das Antreten offiziell. "Wir haben viele Anfragen bekommen und wissen, dass sich viele ein Antreten von uns wünschen", sagt Niko Alm, er ist EPU-Sprecher der Neos. "Es gibt bei 250.000 EPUs ein Riesenpotenzial."
Unzufriedene EPUs
Vor allem gibt es auch ein Potenzial an Unzufriedenheit. Viele EPUs fühlen sich von der Kammer nicht vertreten, sie plagen sich mit der Sozialversicherung SVA, deren Präsident Christoph Leitl auch der oberste Kammerfunktionär ist. Der seit Jahren bestehende Konflikt zwischen dieser stetig wachsenden Gruppe mit der WKO hängt aber auch mit den verschiedenen Bedürfnissen der EPU zusammen. Auch das offenbarte der Eklat um Amann, der in schrieb: "EPUler sind keine Unternehmer".
Der prompte Rückzug von Amann dürfte nicht zuletzt auch damit zusammenhängen, dass er sich damit aber auch gegen eben 57 Prozent der Kammermitglieder gestellt hat. Doch der Strukturwandel bei den Mitgliedern ist auch für den ÖVP-Wirtschaftsbund eine Herausforderung, der vor fünf Jahren 70 Prozent der Stimmen holte. Der Wirtschaftsbund regiert damit die Kammer.
"Die EPU wählen ähnlich wie Angestellte", sagt Cvrtila. Das wäre nicht die beste Nachricht für die ÖVP. Die wesentliche Frage ist aber, ob die neuen Selbständigen auch wählen. 2010 betrug die Wahlbeteiligung nur noch 40 Prozent. "Die EPU sind die Gruppe, die der Wirtschaftskammer am kritischsten gegenüberstehen, das macht es schwieriger, sie zu den Wahlurnen zu bekommen."
Bisher waren es vor allem die Grünen, die die EPUs umworben haben, vor der Nationalratswahl entdeckte dann auch die SPÖ diese Wählergruppe. Christoph Matznetter, ebenfalls WKO-Vizepräsident, fordert seither immer wieder eine bessere soziale Absicherung für diese Gruppe. In ihrem Selbstverständnis sehen sich aber die Neos als logische Heimat der Ein-Personen-Unternehmen. "Wir haben da eine hohe Glaubwürdigkeit", sagt Alm, der wie einige andere in seiner Partei seine berufliche Laufbahn auch als EPU begonnen hat. In der EPU-Studie zeigt sich, dass sich bei den Motiven für diese Arbeitsform eine Polarisierung bei den Gründen "Selbstverwirklichung" und "Notwendigkeit" ergibt. Daraus könnte man ableiten, dass die Zielgruppe der Neos vor allem diese erste Gruppe ist, während sich die SPÖ auf die zweite Gruppe konzentrieren wird, die nicht ganz freiwillig selbständig sind.
Während die Neos ihr Potenzial nicht einschätzen wollen, glaubt der Grüne Plass an "10 bis 15 Prozent". Das wäre in etwa das Zwei- bis Dreifache. Er sagt aber auch: "Das große Problem ist, dass viele, die progressiv denken, in der inneren Emigration sind, dass sie nicht wählen gehen."
Bei den Neos kommt dazu, dass sie die Pflichtmitgliedschaft überhaupt abschaffen wollen, was auch nicht wenige Ein-Personen-Unternehmen unterstützen, doch ob diese dann wählen gehen? "Es ist natürlich ein wenig widersprüchlich", gibt auch Alm zu.
Eine eigene Vertretung?
Würden, rein theoretisch, alle Mitglieder wählen, könnte es zum Problem für den Wirtschaftsbund werden, sagt Cvrtila. Doch das wird eben nicht passieren. Das Antreten der Neos werde "eher zulasten der Grünen gehen".
Doch was ist dann bei der übernächsten Wahl? Die Frage ist auch, ob die EPU dann überhaupt noch bei der Wirtschaftskammer sind. Angesichts der gelebten Praxis sagt auch Plass: "Es ist eine interessante Frage, ob sie die optimale Interessenvertretung ist. Ich sehe nur momentan keinen besseren Vorschlag."
Die Neos denken laut über eine eigene EPU-Kammer nach, auf die Forderung festlegen wollen sie sich allerdings auch nicht. "Es kann auch sein, dass sich herausstellt, dass es eine dumme Idee ist", sagt Alm. Und noch einer hatte dieser Idee: Fritz Amann. Nur mit einer eigenen Kammer könnten die EPU "tatsächlich in unserem Rechtssystem gerecht vertreten werden", schrieb er in seinem Kommentar, seiner letzten Äußerung als Vizepräsident der Kammer.