Basra - Im Südirak sind die schiitischen Geistlichen von der moralischen Instanz zur stärksten politischen Kraft geworden - mit direkten Auswirkungen auf das alltägliche Leben.
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Nur elf Zuschauer sind zur Wiedereröffnung des Al-Rasheed-Kinos in Basra gekommen. Grund für das mangelnde Interesse ist nach Angaben des Betreibers die von selbst ernannten religiösen Sittenwächtern erzwungene Absetzung von Softporno-Filmen. "Es ist eine Katastrophe", klagt Kinodirektor Mohammed Hasim nach der enttäuschenden Eröffnungsvorstellung. "Normalerweise wären 300 Leute hier." Das "Al Rasheed" und zwei weitere Filmtheater in der unter britischer Besatzung stehenden südirakischen Metropole waren Anfang Mai geschlossen worden, nachdem junge Männer gedroht hatten, die Säle niederzubrennen, wenn dort weiterhin "sündige Filme" gezeigt würden.
Seit der militärischen Niederwerfung des Regimes von Saddam Hussein geben schiitische Geistliche den Ton an. Viele von ihnen fordern die Einführung strenger moralischer Regeln nach iranischem Vorbild.
Unter der früheren Baath-Regierung gab es zwar eine Zensur, die aber häufig unterlaufen wurde. "Wir bestachen einfach die richtigen Behördenvertreter", sagt Hasim. Die Sittenwächter in Basra haben auch christlichen Händlern gedroht, die alkoholische Getränke verkaufen. Ihnen wurde nahe gelegt, ihre Geschäfte aufzugeben. Zwei von ihnen wurden zu Monatsbeginn in ihren Läden erschossen.