Olympia will eine unverwechselbare Marke sein. Dass es aber von Typen lebt, die sich ungern in ein Schema pressen lassen, gerät dabei in Vergessenheit.
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Das Keppeln ist bei diesen Spielen groß in Mode gekommen. Den fröhlichen Reigen an nicht so fröhlichen Wortspenden hatte die deutsche Fechterin Imke Duplitzer ja schon davor eröffnet, indem sie den Funktionären (sowohl in Deutschland als auch überhaupt) sinngemäß Unfähigkeit vorwarf, dann versetzte Dinko Jukic die österreichische Sportszene in Aufruhr, worauf gegenseitige Anschuldigungen aus der Politik und den Dachverbänden folgten und Thomas Farnik mit seiner Kritik am Schützenverband nachlegte. Und jetzt ist nicht einmal Usain-Good-Vibrations-Bolt zufrieden. Gibt es denn keine fröhlichen Sportler mehr? Scheinbar nicht. Und so vielschichtig die Kritik ist, sind auch die Motive. Einige Punkte werden wohl nie für alle zufriedenstellend gelöst werden können.
Aber Bolt spricht vielen aus der Seele, wenn er die "dummen, verrückten Regeln" verurteilt. Die Aufmerksamkeit nach seinem 100-Meter-Sieg nützte er gleich zur Systemkritik. Zuerst habe er seine Krawatte ins Stadion mitnehmen wollen, dies sei ihm nicht gestattet worden. "Ich habe gefragt, warum? Sie haben gesagt, so sind halt die Regeln." Dann wurde ihm auch die Mitnahme einer Springschnur und eines Gummibands zur Dehnung untersagt - "so sind halt die Regeln". Und vor dem Lauf musste er sich in der Reihe aufstellen - weil es die Regeln eben verlangen. "Für mich ergeben diese Regeln keinen Sinn", sagt Bolt also. Tun sie eh nicht wirklich. Mittlerweile ist bei Olympia alles reglementiert, angefangen von den Plakaten, die in London hängen dürfen - jene von Nicht-IOC-Sponsoren müssen überklebt werden -, über den Ausschank der Getränke in Lokalen, die Kleidung, die Utensilien, die Sportler bei sich haben dürfen, bis hin zu deren Social-Media-Aktivitäten. Alles unterliegt einem strengen Regulativ und dem Protokoll, alles läuft nach Schema F ab. Schließlich sollen die Olympischen Spiele eine unverwechselbare (und einträgliche) Marke sein. Was darüber aber in Vergessenheit zu geraten droht, ist dass es immer noch die Sportler sind, die für den Erfolg dieser Marke verantwortlich sind. Und der Sport braucht Typen, die die Zuschauer nicht nur mit ihren Leistungen, sondern auch als Persönlichkeiten elektrisieren. Typen, die auch einmal verrückte Dinge machen, die unangepasst sind, die sich eben nicht gern in eine Schublade stecken lassen. Typen wie Usain Bolt zum Beispiel. Dass er sich vom strikten Protokoll eingeschränkt fühlt, ist nicht verwunderlich. Manchmal ist Olympia tatsächlich strenger, als es die Attitüde vom fröhlichen Sportfest eigentlich erlaubt.