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Stress macht Frauen unfruchtbar

Von Eva Stanzl

Wissen
Schon wieder nicht schwanger: Sind seelische Belastungen die Folge einer ausbleibenden Schwangerschaft oder umgekehrt? In jedem Fall wirken Stress und Unfruchtbarkeit eng zusammen.
© corbis/wavebreak media ltd

Psychischer Stress kann das Risiko, unfruchtbar zu werden, um das Doppelte erhöhen.


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Wien. In mageren Zeiten kann es schwierig sein, Kinder zu ernähren. Evolutionsbedingt stellt der Körper bei Stress die Fortpflanzung vorübergehend auf Sparflamme, indem er die Hormonproduktion in den Eierstöcken stört. US-Forscher haben nun nachgewiesen, dass Sorge, Angst und Frust aber nicht nur vorübergehend das Zustandekommen einer Schwangerschaft verhindern, sondern sogar Unfruchtbarkeit auslösen können. Und sie haben einen Stoff im Körper gefunden, der die Ursache sein könnte.

Viele Paare wünschen sich ein Kind, doch es will nicht klappen. Je länger sie leiden, weil eine ersehnte Schwangerschaft ausbleibt, desto mehr steigt der Druck. "Macht Euch keinen Stress - fahrt doch einmal auf Urlaub", lautet ein typischer Ratschlag in solchen Fällen. Die Forscher um Courtney Denning-Johnson Lynch von der Ohio State University geben dem Volksmund nun recht: Je größer der Druck, desto schwieriger wird es für Frauen, ein Kind zu empfangen.

Ein Enzym für Stress

Die Wissenschafter haben die Konzentration eines Biomarkers im Speichel von Frauen gemessen und nachgewiesen, dass Unbill und Überbelastung tatsächlich die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, senkt. Zudem steigt in solchen Lebenslagen das durchschnittliche Risiko für Unfruchtbarkeit unterm Strich auf das Doppelte. Medizinisch gesehen liegt Unfruchtbarkeit vor, wenn Paare trotz intensiver Versuche innerhalb eines Jahres nicht schwanger werden.

Denning-Johnson Lynch und ihre Kollegen haben Daten von 373 gesunden Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren gesammelt, die vom Studienbeginn an versuchten, schwanger zu werden. Zwölf Monate lang oder bis zu einer erfolgreichen Empfängnis sammelten die Forscher in regelmäßigen Abständen Speichelproben der teilnehmenden Frauen. Im Speichel untersuchten sie das Niveau der Alpha-Amylase. Dieses Enzym ist mit der Stressbelastung eines Menschen verknüpft - es handelt sich somit um einen Biomarker für Stress.

Die statistischen Auswertungen zeigten, dass Frauen mit einer hohen Konzentration von Alpha-Amylase im Speichel tatsächlich deutlich geringere Chancen hatten, schwanger zu werden. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit bei jedem Zyklus um 29 Prozent geringer als bei Frauen mit kleineren Konzentrationen des Stressmarkers. Am Ende der Studie nach zwölf Monaten stellte sich sogar heraus, dass die gestressten Probandinnen doppelt so häufig das Kriterium der medizinischen Definition von Unfruchtbarkeit erfüllten, weil sie innerhalb eines Jahres nicht schwanger wurden.

Rein statistisch gesehen führt regelmäßiger Sex bei einem von sechs Paaren oder rund 15 Prozent innerhalb von zwölf Monaten zu keiner Schwangerschaft. Wer diese Zahl für relativ hoch befindet, bedenke, dass es sogar im Normalfall nicht leicht ist, ein Kind auf die Welt zu bringen. Selbst wenn beide Partner unter 35 Jahre alt sind und exakt zum optimalen Zeitpunkt im Monat Geschlechtsverkehr haben, liegt die Chance, ein Kind zur Geburt zu bringen, bei nur 22 bis 25 Prozent pro Monatszyklus. Möglicherweise sind viele Menschen also mental gestresst, ohne es überhaupt wahrzunehmen.

Für die Forscher beinhaltet das Studienergebnis auch eine praktische Botschaft: Frauen, die Probleme haben, schwanger zu werden, sollten über Maßnahmen nachdenken, die der Stressbelastung entgegenwirken, etwa indem sie weniger Arbeiten oder Techniken wie Yoga und Meditation lernen. Ob diese aber auch dabei helfen können, im Zuge einer Kinderwunsch-Behandlung seine Erwartungen herunterzuschrauben, muss sich erst weisen.

Die Forscher betonen auch, dass Stress nicht der einzige oder wichtigste mögliche Grund für Unfruchtbarkeit ist. Bei ausbleibendem Erfolg sollten Untersuchungen klären, ob nicht körperliche Ursachen bei beiden Partnern einer erhofften Schwangerschaft im Wege stehen.