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Affäre erfasst Spitzen der Bank, Generaldirektor Cipriani tritt zurück.
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Rom. Es sind merkwürdige Wesen unterwegs im Vatikan. "Don Bancomat" werden sie zum Beispiel genannt oder "Monsignore 500". Ihr natürliches Habitat ist der Nikolausturm, der gleich unterhalb des Apostolischen Palasts in Rom liegt. In dieser alten, mächtigen Festungsanlage hat das "Institut für die religiösen Werke" (IOR) seinen Sitz. Hier hatten Prälaten mit Hang zur Illegalität lange freien Zugang.
"Don Bancomat" etwa soll 13 Konten bei der Vatikanbank betrieben und eine Schwäche für illegale Geldoperationen gehabt haben. "Monsignore 500" war aufgefallen, weil er stets 500-Euro-Scheine mit sich herumgetragen haben soll. Er wurde vergangene Woche verhaftet. Die römische Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass es sich bei ihnen um Strohmänner im Namen Gottes handelt. Um einflussreiche Geistliche, die illegale Geldoperationen und dabei korrupte Geschäftsleute, wenn nicht Mafiosi decken. Und das alles unter dem Deckmantel des Heiligen Stuhls.
Seit Jahrzehnten steht die Vatikanbank im Verdacht, illegale Operationen gefördert, Schwarzgeld gedeckt und Geldwäsche betrieben zu haben. Im gegenwärtigen Skandal kommen deshalb immer neue Details ans Tageslicht, weil vermutlich zwei Kräfte erstmals wirklich Aufklärung suchen: die römische Staatsanwaltschaft, die seit 2010 gegen die Spitzen der Bank ermittelt, und nun auch Papst Franziskus selbst.
Sein Vorgänger Benedikt XVI. hatte 2010 mehr Transparenz in den Finanzgeschäften angemahnt, auf dem Papier wurde wohl auch einiges erreicht. De facto änderte sich aber kaum etwas, die operativen Spitzen, gegen die ermittelt wurde, blieben die gleichen. Erst vergangenen Montag traten die beiden Direktoren des IOR zurück. Rücktritt aus freien Stücken, so lautet die offizielle Version. Doch ob Generaldirektor Paolo Cipriani und sein Stellvertreter Massimo Tulli ihre hohen Ämter bei der Vatikanbank wirklich freiwillig abgelegt haben, ist zu bezweifeln. Wie es heißt, droht ihnen die Anklage wegen Geldwäsche, die 2010 begonnenen Ermittlungen stünden vor dem Abschluss. Es ist nicht auszuschließen, dass der Papst die Verdächtigen selbst aus dem Spiel genommen hat.
Vatikan will mit den Ermittlern kooperieren
Alles kommt in diesen Tagen zusammen. Vergangenen Freitag war der ehemalige Rechnungsprüfer der Immobilienverwaltung des Heiligen Stuhls, Nunzio S., genannt "Monsignore 500" festgenommen worden. Gegen ihn ermitteln mehrere italienische Staatsanwaltschaften, wegen Korruption und Betrug, auch der Verdacht auf Geldwäsche steht im Raum. Der hohe Vatikanmitarbeiter soll versucht haben, 20 Millionen Euro Schwarzgeld, das befreundeten Geschäftsleuten aus Salerno gehörte, aus der Schweiz nach Italien transportieren zu lassen. Bei dieser und einigen anderen verdächtigen Finanzoperationen habe der Monsignore auf mehrere Konten der Vatikanbank zurück gegriffen.
Bislang hatte der Vatikan stets empfindlich auf Ermittlungen italienischer Staatsanwälte reagiert und sich auf seine Souveränität berufen. Diesmal kündigte ein Sprecher "volle Zusammenarbeit" mit den Ermittlern an. Auch das ist eine Wende. Wie es heißt, sei eine interne Untersuchung in der Vatikanbank angeordnet worden. Vergangene Woche hatte Papst Franziskus zudem eine Untersuchungskommission eingerichtet, die die Geschäfte der Vatikanbank bis ins Detail durchleuchten soll. Vertrauen in die Bankspitze, zum neuen, deutschen Präsidenten Ernst von Freyberg, der zuständigen Kardinalskommission oder dem Aufsichtsrat, bedeuten diese Maßnahmen nicht. Die internen und externen Ermittlungen zeigen schon jetzt, dass die Vatikanbank bald ein neues Gesicht bekommen könnte. Sogar eine Schließung steht im Raum.
Die Verhältnisse im Nikolausturm sind atemberaubend. Wie aus von der Staatsanwaltschaft abgehörten Telefongesprächen hervorgeht, pflegte der gerade inhaftierte Geistliche, "Monsignore 500", beste Kontakte in die Spitze des ominösen Geldinstituts. Mit Massimo Tulli war Nunzio S. per Du, auch zu Generaldirektor Cipriani hatte er einen ausgezeichneten Draht. Offenbar genügte ein Telefonanruf, um die Überweisung von Millionensummen in Gang zu setzen.
Nach dem Vatileaks-Skandal um gestohlene Dokumente vom Schreibtisch des Papstes rüttelt auch die Vatikanbank-Affäre an den Grundfesten des Heiligen Stuhls. Mit dem Unterschied, dass der Papst diesmal wie ein Akteur und nicht wie ein Opfer wirkt. In diesem Licht erscheint der Rücktritt Benedikts wie eine weise Entscheidung, die seinem Nachfolger den Spielraum vermittelt, den er selbst nicht hatte.
Auch Bank-Präsident Ernst von Freyberg ist angezählt
Alles begann im Jahr 2010. Damals ließen italienische Staatsanwälte 23 Millionen Euro beschlagnahmen. Das IOR hatte ein privates Geldinstitut beauftragt, diese Summe auf ein deutsches Konto der Bank JP Morgan in Frankfurt und eine italienische Bank zu überweisen. Der frühere Direktor Ettore Gotti Tedeschi sowie der nun zurück getretene Generaldirektor Paolo Cipriani hätten gegen Antigeldwäsche-Vorschriften verstoßen, hieß es. Während die Ermittlungen gegen Gotti Tedeschi vor der Einstellung stehen, droht Cipriani und seinem Vize ein Prozess. Cipriani galt als Schlüsselfigur im IOR und soll Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone nahestehen, der die Geschäfte im IOR indirekt lenkt, weil er Vorsitzender einer Kardinalskommission ist, die Präsidium und Aufsichtsrat der Bank ernennt.
Es ist noch nicht lange her, da bekam Cipriani Rückendeckung von Gotti Tedeschis Nachfolger, dem Deutschen Ernst von Freyberg. "Mit Tulli und Cipriani arbeite ich bestens zusammen, wir sind ein gutes Team", erklärte der IOR-Präsident in einem Zeitungsinterview, das ihn nun in einem weniger günstigen Licht erscheinen lässt. Von Freyberg war kurz nach dem Rücktritt Benedikt XVI. in einer Hau-Ruck-Aktion auf Initiative von Bertone nominiert worden. Franziskus hat ihn bislang nicht zur Audienz empfangen. In Rom vermuten manche, dass auch die Tage des Deutschen an der Spitze der Vatikanbank gezählt sein könnten.