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Strom statt Krieg

Von Petra Ramsauer

Politik

Afrika gerät zunehmend ins Visier radikaler Islamisten. Bei einer Konferenz in Marokko wurden Gegenstrategien gesucht.


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Dakhla. Transnationale Gefahren bedrohten derzeit Afrika massiv, so die besorgte Analyse von Marokkos König Mohammed VI.: "Terrorismus, organisierte Kriminalität, Drogenhandel und vor allem religiöser Extremismus wachsen sich dramatisch aus." Auf diese Grenzen überschreitende Phänomene könne man nur koordiniert und gemeinsam reagieren.

Um das Potenzial solcher Kooperationen auszuloten, lud Marokkos Monarch das 25. "Crans Montana-Forum" nach Dakhla, den Süden der Westsahara. Das Forum veranstaltete hier gemeinsam mit der Islamischen Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Isesco) einen Kongress, zu dem 300 amtierende und ehemalige Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Regierungsmitglieder aus 112 Länder kamen, um sich über das Potenzial der verbesserten Kooperation der Staaten des Südens zu beraten.

Statt einzig auf den "Norden" zu hoffen, sei es besser, sich untereinander besser zu unterstützen, so das Fazit - sei es im Zuge eines regionalen Energiemarktes oder mithilfe von verstärktem Know-how-Transfer innerhalb der Region. "Uns zeigte die Bewältigung der Ebola-Krise, wie viel an Kraft mobilisiert werden kann, wenn die Länder des Südens zusammenhalten", sagte Mohamed Said Fofana, der Premier Guineas.

Der Veranstaltungsort allerdings erwies sich eher als Stolperstein denn als Katalysator für verbesserte regionale Integration. Anders als Marokko tut sich der Rest der Welt schwer damit, diese Stadt als "marokkanisch" zu bezeichnen. Vielmehr ist es Teil der "Westsahara", ein Territorium, das zu zwei Drittel von Marokko kontrolliert wird - inklusive aller größeren Städte und der Phosphatvorkommen. Seit dem Waffenstillstand von 1991 zwischen Marokko und der "Frente Polisario", die für einen eigenen Staat des saharaurischen Volkes eintritt, wartet die Bevölkerung hier auf ein Referendum.

Mit bemerkenswerter Präzision spiegelte somit nicht nur der Verlauf der Debatte in Dakhla, in der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik ineinander verschmolzen, sondern auch der Ort selbst die Realverfassung Afrikas anno 2015 wider. Das Gastgeberland versuchte die 55.000-Einwohnerstadt zum Schauraum für die Möglichkeiten des Modelles Marokkos als Garant politischer Stabilität und Entrepreneurgeistes herausputzen: reiche Bodenschätze, die strategisch wichtige Eignung als Hochseehafen und ein gerade aufkeimender Tourismus.

Chronisch ungelöste Konflikte

Doch Marokko ist nicht Mitglied der Afrikanischen Union. Aus Protest, denn diese erkannte den provisorischen Westsahara-Rumpfstaat im Hinterland an. Und so ist es ein Lehrbuch-Beispiel, wie viele chronisch ungelöste Konflikte zu den großen Hürden einer gelungenen "Süd-Süd"-Kooperation gehören, für politische Fragilität sorgen und so den Nährboden für Extremismus aufbereiten. Dabei hätte der Kontinent im internationalen Vergleich beachtlich gute wirtschaftliche Karten, könnte so die dringend nötige Stabilität schaffen.

Unter den zehn Staaten der Welt, die derzeit das höchste Wirtschaftswachstum verzeichnen, sind sechs afrikanische Länder. Doch gleichzeitig müssen etwa in dem 175-Millionen-Einwohnerland Nigeria zwei Drittel der Bevölkerung mit knapp einem Euro pro Tag auskommen. Eines von unzähligen Rechenbeispielen, die das größte Manko illustrieren: Nur ein Bruchteil dieses neuen Reichtums kommt den 1,2 Milliarden Afrikanern gleichermaßen zugute, weil viel Kapital in Korruption verpufft und so zu wenig in die Infrastruktur fließt.

Jean-Paul Carteron, Gründer und Vorsitzender des "Crans Montana-Forum", hält deshalb Kurskorrekturen für dringend notwendig: "Afrika hat lange gelitten und wurde nur als Quelle für Profite betrachtet, die man abschöpft, ohne etwas zurückzugeben. Afrika braucht Hoffnung, vor allem für die Jugend." Denn sie würde entweder versuchen, auszuwandern oder sei leichte Beute für Extremistengruppen.

Besonders die Terrorgefahr durch extremistische Islamisten wächst massiv, wie die verheerenden Attentate zuletzt in Tunesien und Kenia zeigten.

Der "Islamische Staat" (IS) gewinnt im Eiltempo an Boden auf dem Kontinent. Teile Nigerias kontrolliert derzeit die seit fünf Jahren aktive Terrormiliz Boko Haram. Die Kämpfer drangen bereits bis Kamerun, Niger und den Tschad vor. Ende Februar schloss sich die Gruppe dem "Kalifat" des IS an. Dies taten auch die ägyptische Extremisten "Ansar Beit al-Maqdis" sowie Teile der hauptsächlich in Algerien aktiven "Al-Kaida im Maghreb". In Libyen kontrollieren IS-treue Milizen zwei Städte. Und erst vor wenigen Wochen griff eine Gruppe, die sich zum IS bekennt, Touristen in Tunesien an und tötete 21 Menschen.

Wirtschaftsaufbau vonnöten

"Es ist aber der völlig falsche Weg, den Kampf gegen Terrorismus einzig auf die militärische Dimension zu beschränken", sagte Frankreichs Ex-Premier, Dominique de Villepin. "Den Platz jedes Terroristen, der getötet wird, nehmen sofort zwei, drei andere ein." Statt durch militärische Feldzüge auch unschuldige Opfer zu riskieren, wäre die beste Strategie, sich auf Wirtschaftswachstum zu konzentrieren. Eine zentrale Rolle würde dabei die dringend nötige Modernisierung der Länder spielen. Nur so könne der Boom auch allen zugutekommen.

Wie dies konkret aussehen könnte, illustriert Amina Benkhadra, Ex-Energie-Ministerin Marokkos: "Die gigantische Energie-Armut Afrikas hemmt jede Entwicklung", sagt sie und verweist darauf, dass zwei Drittel der Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität hätten, am Land seien es sogar bis zu 86 Prozent. Kinder aus Familien mit wenig Strom hätten Schwierigkeiten mit der Bildung, weil sie abends nicht lernen können. Energiemangel verhindere den Aufbau von Wirtschaftsstrukturen am Land. Und so bremse dies die Entstehung von Jobs und Qualifikation. "Exakt hier muss man ansetzen: Denn Arbeitsplätze und Bildung sind im Kampf gegen Extremismus die wichtigste Waffe."