Zum Hauptinhalt springen

Strombörse als Ökostromgesellschaft?

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Die Grazer Strombörse (EXAA) will die Verwertung der heimischen Ökoenergie übernehmen. Sie könnte somit zur Ökostromgesellschaft werden. Im Ökostromgesetz wurde diesem Wunsch sogar Rechnung getragen. Denn dem Marktplatz ist durch die Abschaffung der Kleinwasserkraft-Zertifikate ein wesentliches Geschäftsfeld abhanden gekommen, die Abwicklung des Ökostromhandels wäre dafür jetzt ein adäquater Ersatz. Für Herbst werden fünf neue Teilnehmer erwartet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Ende der Kleinwasserkraft-Zertifikate, das im neuen Ökostromgesetz beschlossen wurde, war ein harter Schlag für die EXAA. "Wir hatten mit diesem Geschäftsfeld gerechnet und schon investiert", bestätigt Vorstand Ludwig Nießen gegenüber der "Wiener Zeitung". Damit die Strombörse beim Ökostrom nicht leer ausgeht, wurde nach einem Ersatz gesucht. Sie könnte als neutrale Stelle die Aufgaben der Ökostromgesellschaft übernehmen. Gespräche mit den von Rechts wegen zuständigen Stromversorgern Tiroler Wasserkraft (TIWAG), der Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW) und dem Verbund gibt es bereits. Nießen ortet wesentliche Synergieeffekte, wenn die Arbeit nur einmal geleistet wird: Denn die EXAA könnte anstatt des Versorgertrios die gesamte Ökostromabwicklung - also die Abrechnung und die Erstellung der Datenbank - übernehmen. Dies wäre vor allem für den Verbund eine Erleichterung, so Nießen, denn dieser muss die Grundstrukturen und Kontakte erst aufbauen.

Die Grazer wären obendrein kostengünstig. "Wir schätzen, dass wir rund eine Million Euro pro Jahr dafür brauchen." Das wären nur drei Promille der Fördersumme von 275 Mill. Euro. Der Handel mit den Kleinwasserkraft-Zertifikaten hätte zwar mehr gebracht, aber dafür seien die Einnahmen für die Dienstleistung sicherer. Unüblich wäre die Tätigkeit als Ökostromgesellschaft allemal, gibt der Börse-Chef zu. "Denn es handelt sich ja um keine Handels-, sondern vielmehr eine Verwaltungstätigkeit." Ob die EXAA die Aufgabe tatsächlich übernimmt, hängt von ihrem Verhandlungsgeschick und der Unterstützung durch den Wirtschaftsminister ab.

ÖSL ist keine Bedrohung

Die Österreichische Stromlösung (ÖSL) - der Zusammenschluss von Verbund mit den Energieallianzpartnern (EA) Wienenergie, EVN, Bewag/Begas, Linz AG und Energie AG - bereitet Nießen wider Erwarten wenig Sorgen. Er sieht im neuen Handelshaus APT keine Bedrohung für die Strombörse. Und das, obwohl die EA als Börsemitglied ausscheiden wird. Er hofft aber, dass die Grazer Plattform für Großkunden, die ihren Strom nicht mehr vom Ostkonsortium beziehen wollen, eine attraktive Alternative darstellt. "Ich sehe die Gefahr des Monopols nicht, denn Großabnehmer können Strom kostengünstig direkt an der Strombörse kaufen". Nießen ist zuversichtlich, Unternehmen mit großem Strombedarf bald als neue Börsemitglieder gewinnen zu können. Bisher ist ihm dies jedoch noch nicht gelungen. Ein gewichtiger Teilnehmer wären die ÖBB. "Wir sind in Verhandlungen."

Für den Herbst erwartet Nießen fünf neue Handelspartner: Die Berner Kraftwerke, E.ON, die beiden größten italienischen Stromkonzerne ENEL und Edison, sowie Europas größten Wasserkrafterzeuger, den norwegischen Konzern Statkraft. Bis Ende des Jahres sollen 25 Teilnehmer mit Strom handeln - derzeit sind es 16. Innerhalb der Strombranche wird die EXAA nicht als Konkurrenz gesehen. Die zur Verfügung stehende Strommenge ist viel zu gering, der am Freitag verkündete "Rekordumsatz" von 4.332 MWh eine zu vernachlässigende Größe. Das wären gerade etwas mehr als vier Millionen Herdplatten, die eine Stunde lang glühen.