Klimaziele nur mit radikalen Maßnahmen erreichbar. | Wien. Die EU-Staaten haben im heurigen Frühjahr beschlossen, ihren Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Nicht klar ist bisher, wie das Einsparvolumen auf die einzelnen Mitgliedsstaaten aufgeteilt werden soll. Die Verhandlungen darüber haben eben erst begonnen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
E-Control-Chef Walter Boltz warnt in diesem Zusammenhang vor einer Musterschüler-Rolle Österreichs: "Es ist wichtig, dass wir uns diesmal zu nichts verpflichten, was in der Praxis nicht machbar ist. Ähnliches soll ja schon vorgekommen sein", sagt Boltz in Anspielung auf das Kyoto-Ziel, das sich Österreich selbst auferlegt hat. Während sich Österreich im Kyoto-Protokoll völkerrechtlich verbindlich verpflichtet hat, trotz eines bereits sehr hohen Anteils sauberer Energie 13 Prozent seiner CO 2 -Emissionen einzusparen, hat sich etwa Frankreich zu keinerlei Einsparungen verpflichtet.
Das Resultat ist, dass Österreich nun als Umwelt-Nachzügler gehandelt wird und ab 2008 dafür Milliarden an Strafe zahlen müssen wird, während Frankreich keine Probleme hat, seine Kyoto-Ziele zu erreichen.
Verbote, Kontingente
Wollte man in Österreich tatsächlich den Energieverbrauch reduzieren, statt nur künftige Verbrauchssteigerungen zu verringern (was in Wahrheit auf einen höheren Energieverbrauch hinausläuft), ginge das nur mit radikalen Maßnahmen wie Verboten oder Kontingentierungen, sagt Boltz.
"Ich weiß aber nicht, ob das in der Bevölkerung gut ankäme, wenn man sagt, jeder darf zum Beispiel pro Jahr nur mehr maximal 10.000 Kilometer mit dem Auto fahren", so der Leiter der E-Control. Ähnliches gelte für gesetzliche Wohnraumbeschränkungen. Unter anderem wird nämlich deshalb jedes Jahr in Österreich mehr Energie verbraucht, weil die Zahl der Single-Haushalte steigt und die Wohnflächen pro Haushalt größer werden.
Wie problematisch Zwangsmaßnahmen aber auf politischer Ebene sind, zeigt die jüngste Mineralölsteuer-Erhöhung. Diese habe man für die Pendler gleich wieder über ein höheres Pendlerpauschale abgefangen. "Die, die am meisten fahren, kriegen ihr Geld wieder zurück. So hat man natürlich keinen Lenkungseffekt", meint Boltz.
Immer wieder ist auch die Industrie als Verursacher von Treibhaus-Gasen im Gespräch. Hier hat es in den letzten Jahren tatsächlich starke Zuwächse gegeben. Diese liegen aber daran, dass deutlich mehr Papier und Stahl in Österreich produziert wurde. Wenn man nun fordere, die Industrie solle eben weniger erzeugen, wäre das ein wenig blauäugig: "Die weltweite Nachfrage nach Stahl bleibt ja gleich. Was nicht bei uns produziert wird, wird dann in China oder Indien erzeugt - mit deutlich schlechteren Umweltstandards." Österreich hätte dadurch zwar seine Emissionsbilanz verbessert, die Welt ihre jedoch insgesamt verschlechtert.
Thermische Sanierung
Die bisher diskutierten Maßnahmen zur Steigerung der Energie-Effizienz würden jedenfalls bei weitem nicht ausreichen, um die EU-Ziele zu erreichen. Beispiel thermische Sanierung von Wohnungen: "Unser gesamter Wohnungsbestand - rund 4 Mio. Wohnungen - wird etwa alle 100 Jahre erneuert. Selbst, wenn wir uns sehr anstrengen, könnten wir innerhalb von 10 Jahren maximal 10 bis 15 Prozent sanieren", sagt Boltz. Gleichzeitig steige die Zahl der Wohnungen aber jedes Jahr um etwa 45.000. Deren Bedarf an Energie mache den Einspar-Effekt durch Sanierungen wieder zunichte.
Unrealistisch sei auch die Erwartung, den Anteil der erneuerbaren Energien in Österreich zu verdoppeln. Maximal 460.000 ha Land (das sind 20 Prozent der gesamten Anbaufläche) könnten in Österreich für Energiepflanzen genutzt werden. Mit dieser Fläche könnte man aber lediglich 2,5 Prozent des heimischen Energiebedarfs abdecken. Und wollte man nun den Raps, der für die Biodiesel-Beimischung gesetzlich ab Herbst erforderlich ist, gänzlich in Österreich produzieren, brächte man dafür bereits 70 Prozent der freien Fläche.
"Echte Energie-Einsparungen haben in den letzten 30 Jahren nur Länder erzielt, die einen massiven wirtschaftlichen Abschwung hinnehmen mussten", so der Leiter der E-Control. Ein Beispiel wären die Reformstaaten Osteuropas, deren Wirtschaft nach dem Ende des Kommunismus zusammenbrach. Ob das aber ein taugliches Modell für Österreich wäre, ist fraglich. Seite 9