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"Stronach hat zu viel Zeit"

Von Alexandra Stanic

Politik

Sie gehen wählen, wissen aber nicht wen genau


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Nationalrat? Ganz blicken sie noch nicht durch, doch sie gehen einfach hin. Junge Migranten vor ihrer ersten großen Wahl.
© Marko Mestrovic

Wien. Eine Gruppe Jugendlicher, ein Basketballkäfig und lautes Gelächter. Das Wort Politik wird in die Menge geworfen. Der zeigefingerhebende Faymann auf roten Plakaten wird durch den Kakao gezogen, HC Straches vermeintliche Nächstenliebe in Frage gestellt. "Auf dem einen Bild war er der Oma seltsam nahe", sagt ein Junge mit Zigarette in der Hand und grinst schelmisch. "Nicht nur das - wenn ich neben ihm stehe, liebt er mich dann auch, obwohl ich Moslem bin?", fragt ein anderer mit Kapuzenpulli.

Rund 348.000 Wahlberechtigte sind bei der Wahl Erstwähler zwischen 16 und 18. Untersuchungen über das Wahlverhalten der jüngsten Wähler gibt es nur wenige - schon gar nicht über junge Migranten. Wen kennen sie, wen wählen sie und warum? Oder spielt für sie die Politik im Heimatland der Eltern eine größere Rolle als das Match Faymann gegen Spindelegger?

Eines wird schnell klar im Käfig: Sie gehen hin, weil sie das wichtig und richtig finden. Doch was zur Wahl steht, wissen sie nicht so genau. Eine Partei, der Kanzler, ein Parlament? Will Stronach Präsident werden? Das Wort Nationalrat hinterlässt bei ihnen einen eher diffusen Eindruck.

Stimme für Plakat-Kanzler

Der 16-jährige Ali Durmus hat sich vorgenommen, wählen zu gehen. "Ich habe einen Brief von der SPÖ bekommen, deswegen weiß ich davon." So weiß Ali zwar nicht, was genau gewählt wird, seine Stimme aber bekommt die SPÖ. "Die sind einfach die Besten. Außerdem kenne ich den Faymann von den Plakaten, die überall hängen."

Der Serbe Milos Grozdic würde gerne wählen, kann aber nicht. "Wäre ich Staatsbürger, würde ich auf jeden Fall wählen", erklärt der 18-Jährige. "Und dann natürlich Rot." 43 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund sind laut Statistik Österreich bereits eingebürgert. Rund 530.000 Migranten sind am 29. September wahlberechtigt. Milos Eltern gehören nicht dazu. In Österreich leben 80.000 nicht wahlberechtigte Türken und ähnlich so viele Serben und Bosnier. "Deswegen haben sie auch wenig Interesse an den bevorstehenden Wahlen."

Abdullah Celik sitzt stirnrunzelnd auf einer Parkbank und zupft an seinem roten Cap. "Ich habe in einer Gratis-Zeitung von irgendwelchen Wahlen gelesen", meint der 16-Jährige. "Ich finde es super, dass ich in meinem Alter wählen kann, und werde es auch sicher machen."

Trotz der Begeisterung für die Verordnung, dass man ab dem 16. Lebensjahr wählen kann, weiß er nicht, welche Wahlen anstehen. Auch mit seinen Freunden redet er nie über Politik - wenn dann nur über türkische. "Es ist aber wichtig, seine Stimme abzugeben." Abdullah wirkt so, als würde er sich aufgrund seiner politischen Unwissenheit unbehaglich fühlen. Doch auch die anderen drei wissen nicht, wo die Wahlen genau hinführen.

Milos darf als Ausländer nicht wählen, würde aber gerne.
© Marko Mestrovic

Jung und politikverdrossen

Mohamed El-Nossiri ist besser informiert. Mit einer wegwischenden Handbewegung bezeichnet er die Parteivertreter als Lügner. "Ich habe schon vor, bei den diesjährigen Nationalratswahlen teilzunehmen", meint er und kratzt an seiner Stoppelglatze. Der 18-Jährige holt gerade seine Matura am bfi Institut nach. "Eigentlich ist das Ganze aber eh sinnlos, wir wählen dann jemanden, der uns erst wieder bevormundet und macht, was er will."

Trotzdem hat er vor, Rot oder Schwarz zu wählen. "Jeder ist besser als Strache", sagt er bestimmt. Er zupft an seiner Jeans, starrt ernst ins Nichts. "HC teilt im dritten Bezirk irgendwelche Werbegeschenke aus und will so meine Stimme bekommen? Manipulativ nenne ich das!"

"Was hat der gegen uns?"

Obwohl kaum einer von ihnen weiß, welche Wahlen anstehen, wissen sie offenbar genau, wen sie nicht wählen. Auch Yagmur Eser kann wenig mit Straches Politik anfangen. "Früher war Strache nur gegen den Islam, aber mittlerweile hat er sich anscheinend auf uns Türken spezialisiert", sagt sie. "Ich weiß wirklich nicht, was er gegen uns hat."

Yagmur gehört zu den 1,8 Prozent der Migranten, die in Österreich geboren sind, aber nicht österreichische Staatsbürger sind. "Wenn ich könnte, würde ich auf jeden Fall wählen", sagt die junge Türkin. "Man muss seine Stimme ja abgeben, um die Partei an der Spitze zu haben, die man mag."

Und was sagen die Kids zum Polit-Opa? Bei Yagmur konnte Frank Stronach mit einem Video punkten, das in ihrer Schule im 16. lief. "Eine coole Idee."

Die beiden Schülerinnen Suzana Maric und Kristina Bogdanic hingegen verstehen nicht, was Stronach in der Politik zu suchen hat. "Mir kommt es so vor, als wäre ihm einfach nur langweilig", sagt Suzana lachend. "Und gerade er ist auf so vielen Plakaten in Wien zu sehen - er hat eindeutig zu viel Zeit und Geld."

Suzana versteht etwas vom österreichischen Wahlsystem. "Meine Mutter hat mich einmal zu einer Wahl mitgenommen", erzählt sie. "Ich weiß noch nicht, wen ich wähle, aber ich werde ganz sicher wählen." Suzanas Eltern verfolgen sowohl die österreichische als auch die serbische Politik. Bisher war für Suzana eher wichtig, was es für Gossip bei den serbischen Promis gibt. "Ich bin auch nicht so interessiert an der österreichischen Politik", gesteht sie und spielt mit einer Haarsträhne.

Ein Mädchen brilliert dann doch mit Detailwissen: "Ende September wird der Nationalrat gewählt", sagt die 17-jährige Kroatin Kristina Bogdanic und richtet ihre Brille. Sie ist generell zufrieden mit der Politik. Obwohl: Sie findet, Österreich sei zu sozial. "Zumindest was die Migrantenpolitik angeht", beschwert sich Kristina. "Es kommen immer mehr Menschen aus Ungarn, der Ukraine und solchen Ländern und nehmen uns die Arbeitsplätze weg." Suzana nickt zustimmend.

Wenn die alte Heimat brennt

Daheim ist Politik bei allen ein Thema. Allerdings ist die derzeitige politische Lage im ursprünglichen Heimatland mindestens genauso wichtig - wenn nicht sogar wichtiger. "Bei mir zu Hause reden wir nur über türkische Politik", sagt der 15-jährige Muhammed Yenier. "Aber Politik interessiert mich gar nicht." Auch bei dem 18-jährigen Ägypter Mohamed wird kaum über Österreich gesprochen. "Wir haben bei uns in Ägypten genug Probleme."