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Die österreichischen Frauen sollen sich "die Machoallüren" nicht gefallen lassen.
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"Wiener Zeitung":Sie sind seit fast 30 Tagen quer durch Österreich unterwegs. Zehrt das an der Substanz?Eva Glawischnig: Es hat zwei Seiten. Die direkten Gespräche und die Unmittelbarkeit sind etwas Wertvolles, andererseits ist es schon auch energieintensiv. Am Abend bin ich angefüllt mit Geschichten und Themen, da freut man sich dann schon auf einen freien Tag.

Haben Sie die Gelegenheit dazu?
Die Tage dazwischen nutze ich für umpacken, Wäsche waschen und Organisatorisches. In der Mitte der Tour in Niederösterreich hat sich leider meine Schwiegermutter den Mittelfußknochen gebrochen, dadurch ist die Kinderbetreuungsfrage schwieriger geworden, weil mein Mann auch nicht immer dabei sein kann. Das alles zu managen, war eine Herausforderung.
Hätte es ein Mann leichter?
Ich bin mir sicher, dass (Ex-Kanzler Alfred, Anm.) Gusenbauer seine Familie nicht auf seiner Tour mithatte. Das ist eine persönliche Entscheidung. Als mein Team mir die Tour vorgeschlagen hat, habe ich gesagt: Ohne ausreichenden Kontakt zu meinen Kindern mache ich es nicht.
Wie ist es für die Kinder?
Manche Dinge gefallen ihnen, manche weniger. Sebastian kommt oft und sagt: "Mama, nicht mehr reden." Aber für manche Menschen ist es auch befreiend zu sehen, dass wir auch nur eine ganz normale Chaosfamilie sind, und dass Politikerin sein auch so etwas wie ein normaler Beruf ist, in dem irgendwann auch ein Betreuungsproblem entsteht.
Sie werden oft auf die gemeinsame Obsorge angesprochen. Welche Themen kommen noch auf?
Es gibt ein paar Themen, die sich ständig wiederholen. Neben Anständigkeit und Korruption - das ist nicht nur in Kärnten, sondern österreichweit ein Thema - kommt in den Städten oft die Frage auf, wie es Klein- und Kleinstunternehmen geht. Und eben bei den Familienfragen sehen die Menschen in uns einen politischen Partner, der über das Thema ernsthaft debattieren kann.
Apropos Korruption: Gerade in Kärnten hätten es die Grünen angesichts der Rolle Rolf Holubs bei der Aufdeckung der Hypo-Affäre sehr einfach, trotzdem sind Sie in Kärnten nicht gut aufgestellt. Woran liegt das?
Es ist in Kärnten alles andere als leicht. Das Land hat in den letzten Jahren in einer politisch rechten Hegemonie gesteckt - nicht nur in der Politik, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen, egal, ob das der Fußball war, die Wirtschaft oder der Tourismus. Offene Kritik an den Zuständen gab es hier nicht, das bricht jetzt langsam auf. Die letzte Wahl war eine Ausnahmesituation, da war das Land, wie ein Psychoanalytiker gesagt hat, in einer kollektiven Psychose. Und so habe ich das auch erlebt. Die Leute haben mir gesagt: "Die Grünen sind ja schön und gut, aber jetzt muss man noch einmal Jörg Haider wählen." Damit ist es jetzt vorbei. Es war auch - speziell in Kurt-Scheuch-Land Oberkärnten - schwierig, sich zu den Grünen zu bekennen.
Kärnten ist also in jeder Hinsicht speziell?
Ja, aber auch im Burgenland trauen sich die Menschen nicht, sich für die Gemeinderatswahlen aufstellen zu lassen - sie berichten von offenen Drohungen, dass sie die Aufträge verlieren oder Verträge nicht verlängert würden. In einem Land, wo bis zu den Autofahrerclubs alles zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt ist, ist freies Entscheiden nach wie vor nicht möglich.
Durch Kärnten und den U-Ausschuss im Parlament haben die Grünen zwar den Nimbus der Aufdecker-Partei, aber thematisch schwächeln Sie derzeit. Was sagen Sie jemanden, der Sie auf der Tour nach Ihren Themen fragt?
Die Kontrollarbeit bindet viele Energien. Gabi Moser ist eigentlich Verkehrssprecherin und sitzt seit einem dreiviertel Jahr im U-Ausschuss. Ähnlich ist die Situation in Kärnten. Im letzten Jahr haben wir aber auch Themen sehr intensiv bearbeitet, etwa das Bildungsvolksbegehren, die Umwelt- oder die Europafrage. Gerade in der Europadiskussion war klar, dass wir eine tragende Rolle bei den Begleitmaßnahmen gespielt haben.
Die Zustimmung der Grünen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM war auch parteiintern durchaus umstritten.
Ja, aber mir ist lieber, wir werden für Entscheidungen kritisiert, wo wir Verantwortung übernehmen. FPÖ und BZÖ sind beleidigt aus dem Parlament ausgezogen und haben wehleidig geklagt, dass sie keine Rolle spielen. Wir haben uns das gut überlegt und einiges erzwungen, das vernünftig ist.
Zurück nach Kärnten: Holub wurde an der Parteispitze durch Frank Frey ersetzt, weil er sich zu sehr mit dem Thema Hypo beschäftigt hat. War das ein Fehler?
Das war eine Entscheidung der Landesgrünen. Der U-Ausschuss hat - wie im Parlamentsklub - viel Energie gebunden, dass man sich das anders aufteilt, kann ich nachvollziehen. Wiewohl für mich sonnenklar war und ist, dass Rolf Holub der Spitzenkandidat für die nächste Landtagswahl ist.
Im Sommergespräch haben Sie gesagt, Sie haben keine Angst vor Frank Stronachs Parteineugründung, weil er politisch in eine ganz andere Richtung geht. Andererseits klebt auf Ihrem Bus: "Ich bremse auch für Piraten." Können Ihnen nicht unter anderem die Piraten oder die anderen Parteineugründungen gefährlich werden?Das kann ich schwer einschätzen, weil sich die Piraten noch nicht darauf geeinigt haben, wofür sie stehen. In Innsbruck beispielsweise haben sie in Sprengeln gewonnen, wo eher die FPÖ stark ist. Ich mache mir da im Moment keine Sorgen, weil ich grundsätzlich neue politische Bewegungen interessant finde. Die Grünen waren das auch einmal. Vielleicht entstehen so spannende Diskussionen über Zukunftsfragen. Denn Stronach ist sowas von retro, ich habe von diesem Männergetue die Nase voll. Diese Machoallüren, wie sie in der ZiB2 deutlich geworden sind, müssen wir uns als österreichische Frauen nicht mehr gefallen lassen.
Sie haben sich mit Kanzler Werner Faymann getroffen. Wie beurteilen Sie das Gespräch?
Ich freue mich, dass Werner Faymann mich auf der Grünen Sommertour besucht hat. Es gibt bei den Menschen ein großes Bedürfnis nach einem neuen Politikstil. Ich begrüße die Aussage Faymanns, im Untersuchungsausschuss zu den Inseraten Rede und Antwort zu stehen, wenn er geladen wird. Das könnte auch Teil eines neuen Stils sein. Ein Signal in Richtung Rot-Grün ist es aber nicht.
Sie haben eine Dreierkoalition ausgeschlossen. Sollte aber zum Beispiel Stronach in den Nationalrat einziehen, könnte diese nötig werden, um Mehrheiten Zustande zu bringen.
Ich habe in den Verhandlungen um die Verfassungsfragen erlebt, wie mühsam das ist und wie wenige Möglichkeiten man für große Würfe hat. Ich bin da äußerst skeptisch, es fühlt sich manchmal an wie Paarmediation. Mein Ziel ist eine neue Mehrheit mit einer Zweiparteienmöglichkeit. In Kärnten wird es indes nicht anders gehen, das Land braucht jedenfalls eine Koalition jenseits von den Freiheitlichen.
Was machen Sie, wenn die Tour vorbei ist?
Dann ist unser allererster Schultag. Da gibt es dann keinen Urlaub, aber zumindest für ein paar Tage einmal keinen vollgeknallten Terminkalender.
Zur Person: Eva Glawischnig-Piesczek
ist seit 1999 Abgeordnete zum Nationalrat für die Grünen und war von 2006 bis 2008 Dritte Nationalratspräsidentin. Seit 17. Jänner 2009 ist sie Bundessprecherin der Grünen.