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Stronachs schräge Troubadoure

Von Clemens Neuhold

Politik
Frank Stronach im Gespräch mit zwei Musikern, die ihn im Wahlkampf einpeitschten. Die beiden "Freeman" hatten sich innerlich längst von dem Land verabschiedet, das Stronach regieren wollte, aber das war Stronach offenbar nicht bewusst.
© Youtube (1), krone.tv (2)

Zwei "Freeman" sangen im Wahlkampf für Frank Stronach. Sie gehören einer Bewegung an, die Österreich ablehnt.


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Wien. "Die gonze Wöd is am Grinsn den gonzn longen Tog, die Menschen hom’s irgendwie kapiert / weil sie glaub’n nimma an Zinsn oder an ,EU-Vertrag’ und hom gemeinsam Fukushima repariert. . .Hey! Hey! Welcome to Freedom! All those rules - we don’t need them."

Diesen Song geben Johannes Kreissl und Jean Nolan in einem Youtube-Video, hochgeladen am 8.2.2014, zum Besten. Da war die Botschaft, die das Lied transportiert, schon längst Programm für die "Freeman"-Bewegung. Freeman sehen sich nicht als Teil der Republik Österreich und anerkennen die "angeblichen Gesetze und Rechte" nicht. Die Freeman-Bewegung hat Joe Kreissl 2012 gegründet. Kreissl hat unter "Otto-Normal-Verbraucher" einen Wahlkampfsong für Frank Stronach verfasst und hat diesen im Wahlkampf 2013 eingepeitscht. Kreissl ist Sohn von Hanneliese Kreißl-Wurth, die für Stronach im ORF-Publikumsrat sitzt. Die Komponistin hat unter anderem den Stoakogler-Schlager "Steirerman san very good" geschrieben.

Die Begleitmusik zum Programm von Stronach

Ans Team Stronach angedockt hat im Wahlkampf auch Jean Nolan mit seinem Song "Hand in Hand". Den performte er auch bei der imposanten Präsentation von Stronachs Wahlprogramm in Wiener Palais Ferstl. Mit dem Programm von Freeman war das längst nicht mehr vereinbar. Kreissl hatte bereits im Frühjahr 2012 ein öffentliches Schreiben an den Bundeskanzler, das Innenministerium und den Obersten Gerichtshof geschickt, in dem er sich zum "souveränen, spirituellen Wesen" und "freien Bewohner des Planeten Erde" erklärt, der sich selbst verwaltet und keine Verträge anerkennt. Er forderte pro Lebensjahr fünf Millionen Euro Schadensersatz, weil der Staat - sinngemäß - "die Person Johannes Kreissl" für sich vereinnahmt habe. Am Geldsystem wolle er zwar teilnehmen, Rechnungen werde er aber nur ohne Steuern bezahlen.

Showdown der Rechtssysteme im Waldviertel

Dieser Art des Rechtsverständnisses folgend wollte am Montag eine Gruppe namens OPPT ein "Volkstribunal" im Ort Hollenbach im Waldviertel in Niederösterreich abhalten. "Freeman" und die internationale Bewegung OPPT sind eng verbunden, in Lehrvideos von Kreissl und Nolan werden meist beide Namen erwähnt.

Die "Verhandlung nach Naturrecht" und "Common Law" in Hollenbach war gegen die Sachwalterin einer Frau gerichtet, die offenbar Mitglied von OPPT war. Auf ihrem Bauernhof hielten sich zum Zeitpunkt der "Verhandlung" über 100 Anhänger auf.

Erklärtes Ziel des Tribunals: Die mit der Sachwalterschaft verbundenen Beschränkungen der Hofbesitzerin rückgängig zu machen. Doch diese juristischen Abenteuer wurden Justiz und Exekutive dann doch ungeheuer. 60 Polizisten verhinderten das Tribunal und verhafteten mehrere Personen wegen versuchter schwerer Nötigung gegen die Sachwalterin, beharrlicher Verfolgung und versuchter Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Es kam auch zum Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das von der Pflegschaftssache betroffene weibliche OPPT-Mitglied wurde aufgrund seines psychischen Zustandes vom Amtsarzt in das Landesklinikum Waidhofen/Thaya eingewiesen.

Sheriff und Richter in einer Person

Über den vermeintlichen Anführer, der sich als gewählter Sheriff bezeichnete (es handelt sich weder um Kreissl noch um Nolan), wurde am Donnerstag Untersuchungshaft verhängt. Die Identität des englischsprachigen Mannes war vorerst nicht bekannt, in der Interneteinladung zum Tribunal ist von einem "Souverän Terrence R. O’Connor aus USA" die Rede, der die Hofbesitzerin unterstützen werde. Ob Kreissl und Nolan bei der Aktion anwesend waren, konnte die Staatsanwaltschaft Krems nicht sagen. Auch über Verhaftungen und Ermittlungen gegen die beiden liege nichts vor. Das Kreissl dort war, das gab dieser selbst gegenüber "krone.tv" an. Im Interview verteidigte er das Volkstribunal. Nolan äußerte sich auf Anfrage nicht zum Vorfall.

Unterhaltsam, aber keine Parteimitglieder

Die Mutter von Johannes Kreissl, Hanneliese Kreißl-Wurth, wollte am Donnerstag nichts zum Treiben ihres Sohnes und Musikpartners sagen.

Auf Anfrage beim Sprecher des Team Stronach, Hary Raithofer, hieß es: "Kreissl und Nolan waren und sind keine Parteimitglieder. Es gibt keine Zusammenarbeit mit ihnen. Sie haben im Wahlkampf mitgemacht, sie waren sehr unterhaltsam und kreativ, haben auch zum Nachdenken angeregt, aber das war’s."

Zu den rechtsfreien Aktionen der beiden sagt Raithofer: "Wir haben elf Menschen dort sitzen, wo Gesetze beschlossen werden. Wenn jemand etwas tut, das nicht dem Rechtsstaat entspricht, halten wir gar nichts davon." In einer Stellungnahme des Team Stronach auf Twitter heißt es etwas milder: "Wenn es bei Individualismus- und Freiheitssuche zu Ausuferungen wie im Waldviertel kommt, ist es strikt abzulehnen."

Raithofer betont, dass abgesehen von den Gagen für die Wahlkampfauftritte "zu 100 Prozent" kein privates oder öffentliches Geld vom Team Stronach an Kreissl oder Nolan geflossen sei.

Schräges Detail am Rande: Stronachs viel zitierte Werte lauteten: "Wahrheit, Transparenz, Fairness". Abgekürzt - wie manche damals witzelten - "WTF", was im Englischen "What the Fuck" bedeutet. Das Medienformat, mit dem die beiden "Freeman" auch Freigeist Stronach interviewten (siehe Bild oben) und mit dem sie ihre Freiheit gegenüber dem System proklamieren, heißt: "WTF!".