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Studenten ohne Mehrheitsregierung: Ein Jahrmarkt der Lächerlichkeiten?

Von Katharina Schmidt

Analysen

Neue ÖH-Chefin hat wenig Spielraum. | Freies Spiel der Kräfte im Parlament. | "Wir machen uns hier lächerlich", schrieb einer der Mandatare des Studentenparlaments auf seinen Stimmzettel. Treffender können es auch die Kommentatoren nicht formulieren. Denn die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) hat mit der Wahl des Vorsitzteams einmal mehr ihrem Ruf als Chaostruppe alle Ehre gemacht, darin sind sich die Beobachter mit dem anonymen Mandatar einig.


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Was ist passiert? In vier lähmenden Wahlgängen wurde Sigrid Maurer von den Grünen und Alternativen Studenten (Gras) mit den Stimmen der Gras, des VSStÖ (Verband Sozialistischer Studenten) und der neugegründeten Fraktion der Fachhochschul-Studenten (Fest) an die Spitze der ÖH gewählt. Damit war klar: Es gab ein Abkommen zwischen den drei Fraktionen, die zusammen 39 der 85 Mandate in der Bundesvertretung halten. Die Wahl des zweiten und dritten Stellvertreters versprach somit wenig Spannung.

Weit gefehlt: Mit Thomas Wallerberger und Benedikt Rust wurden zwei Vertreter der Fest zu Maurers Vizes gekürt. Sophie Wollner, Spitzenkandidatin des VSStÖ, die laut Abmachung auf Platz zwei hätte landen sollen, ging leer aus. Die Schuldigen waren schnell gefunden: Laut VSStÖ haben die Fachschaftslisten (FLÖ), die für beide Stellvertreter-Posten einen Fest-Kandidaten nominierten, sowie die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), die Koalition mit ihren Stimmen für die Fest torpediert.

Ganz so einfach ist die Sache aber nicht: Die AG, die mit 22 Mandaten stärkste Fraktion, und die FLÖ halten gemeinsam 37 Sitze. Grüne, Sozialisten und Fest verfügen hingegen über insgesamt 39 Sitze. Eine relative Mehrheit wäre sich also ausgegangen, hätten sich alle Mandatare der drei Fraktionen an die Vereinbarung, Wollner als Stellvertreterin zu wählen, gehalten. Dazu kommt, dass die restlichen im Studentenparlament vertretenen Gruppierungen großteils der Linken zuzuordnen sind. Alles in allem ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Teil der Fachhochschul-Fraktion von vornherein gegen diese Koalition war.

Die neue ÖH-Chefin Maurer kann sich also weder der Stimmen ihres Koalitionspartners zu hundert Prozent sicher sein, noch sitzt sie einer mehrheitsfähigen Regierung vor. Denn ob sich die Sozialisten ohne Posten in der Exekutive zu gemeinsamen Abstimmungen bewegen lassen, wird erst die Zukunft zeigen. Und selbst diese theoretische Mehrheit wäre nur eine relative.

Die praktische Mehrheit liegt bei der Opposition, also bei AG, FLÖ und Kleingruppierungen wie den beiden - zerstrittenen - kommunistischen Listen oder dem Ring Freiheitlicher Studenten (je ein Mandat).

Und was bedeutet das für die große Politik? Immerhin stehen gewichtige Entscheidungen an, etwa über die von Wissenschaftsminister Johannes Hahn lancierte Novelle des Universitätsgesetzes. Hier gilt - im neuen Studentenparlament wie schon im alten - das freie Spiel der Kräfte.

Wozu dann überhaupt gewählt wurde? Das haben sich wohl auch jene 74,3 Prozent der wahlberechtigten Studenten gedacht, die im Mai nicht an die Urnen - ob nun elektronisch oder herkömmlich - geschritten sind. Vielleicht haben sie sich auch einfach gedacht, sie "machen sich hier lächerlich".