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Studieren im Sinne der Wirtschaft?

Von Stefan Melichar

Wissen

Geisteswissenschafter tun sich am Arbeitsmarkt schwer. | In Österreich sind 7000 Akademiker derzeit ohne Job. | Wien/Hamburg. Die Fußballweltmeisterschaft hätte für Deutschland der Startschuss eines neuen Wirtschaftswunders werden sollen. Allerdings mischen sich in die jüngsten Konjunkturprognosen - nach kurzer Euphorie - bereits wieder pessimistische Töne. Dabei kann man den erfolgreichen deutschen Kickern mit Sicherheit keine Schuld daran geben, dass der Aufschwung ausbleibt. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schiebt nun einer verfehlten Ausbildungspolitik einen Teil der Verantwortung dafür zu, dass der Wirtschaftsmotor nicht so richtig anspringt. Deutsche Hochschüler würden "am Leben vorbei" studieren - mit allen negativen Folgen für die Volkswirtschaft und die persönliche Karriere.


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"Der Spiegel" kommt nach der Befragung von 25.000 Jungakademikern zu dem Schluss, dass zu viele deutsche Studenten Fächer inskribieren, für die der Bedarf am Arbeitsmarkt nicht in entsprechendem Ausmaß gegeben ist. Während die zahlreichen Absolventen geisteswissenschaftlicher Studien sich meist nahtlos in die "Generation Praktikum" einreihen, würden den deutschen Betrieben die Techniker fehlen.

Zu wenig Ingenieure?

"Der Spiegel" fürchtet, dass "Deutschland jene klugen Köpfe ausgehen, die den Wohlstand einer rohstoffarmen Nation am ehesten sichern können: Ingenieure und Naturwissenschaftler, die zukunftsfähige Produkte und Technologien entwickeln". Die deutsche Politik hat aus ihrer Sicht das Gebot der Stunde erkannt und versucht gegenzusteuern. So kommen bei der Förderung von Elitehochschulen in erster Linie technische Universitäten zum Zug. Laut Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) soll Deutschland "eine der forschungsfreudigsten Nationen der Welt werden".

Doch nicht erst im Studentenalter sollen sich die jungen Deutschen für Technik begeistern. "Der Spiegel" nennt zahlreiche prominente Firmen wie Bosch, BASF oder das Bauunternehmen Hochtief, die sich zusammengeschlossen haben und mit Praxisangeboten aktiv auf Schulen und sogar Kindergärten zugehen. Technik soll bereits früh erlebbar gemacht werden.

Gedränge um Jobs

Allerdings leidet nicht nur die Wirtschaft unter der arbeitsmarktfernen Studienwahl. In erster Linie fällt diese auf die Absolventen selbst zurück. Geht es darum, einen Job zu finden, plagen sich viele - egal ob in Deutschland oder in Österreich - monatelang mit aussichtslosen Bewerbungen - mitunter trotz gutem Notenschnitt, Auslandsaufenthalt, und Praktika. Im November 2006 waren österreichweit knapp 7000 Akademiker arbeitslos. Auffallend ist, dass es Absolventen prestigeträchtiger Studienrichtungen wie BWL, Jus und Medizin ganz besonders schwer haben, einen Job zu bekommen (siehe Grafik).

Finden Jungakademiker eine Stelle, ist diese oft nur befristet, und das Einstiegsgehalt ist niedrig. Thomas Stummer, Geschäftsführer beim Personalberatungsunternehmen Stummer&Partner, geht von einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von 2200 Euro brutto für Akademiker aus. Allerdings gebe es Berufsfelder mit schlechteren Konditionen für Einsteiger: Anwaltskonzipienten müssen sich, so Stummer, mit 1600 Euro zufrieden geben. Ein Publizistik-Absolvent, der in einer PR-Agentur startet, muss ebenfalls mit rund 1800 Euro zurecht kommen. Stummer meint: "Je größer der Markt an Bewerbern, desto geringer das Gehalt."

Nebenschiene aufbauen

Einstiegsgehälter von Absolventen wirtschaftlicher Studien liegen im Durchschnitt zwischen 2000 und 2300 Euro. Ursula Axmann vom Zentrum für Berufsplanung an der WU Wien hält einzelne Ausreißer nach oben für möglich. Spezialisierte Techniker dagegen haben laut Stummer generell gute Chancen, mit rund 3000 Euro einzusteigen.

Stummer sieht großen Bedarf im Bereich der Umwelttechnik und der Informationstechnologie. "Da gibt es Unternehmen, die könnten gleich fünf, sechs neue Leute brauchen", meint der Personalberater. Oft seien diese aber in entlegeneren Regionen angesiedelt, weshalb man schwer "Top-Leute" für diese Stellen begeistern könnte. Grundsätzlich rät Stummer trotz allem davon ab, die Studienwahl ausschließlich am Arbeitsmarkt zu orientieren. Er empfiehlt Studenten aber, sich eine wirtschaftlich interessante "Nebenschiene" aufzubauen.