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Stunde der Wahrheit für ATV

Von Bernhard Baumgartner

Analysen

Alleineigentümer Herbert Kloiber setzt den Sender unter Druck. | Lange war über einen Verkauf der Bawag-Anteile an ATV spekuliert worden. Die neuen US-Eigentümer der Bank sahen in dem Investment offenbar nicht jenen strategischen Sinn, den Bawag (und somit der Gewerkschaftsbund) offenbar sahen: Nämlich beim einzigen nennenswerten österreichischen Privat-TV-Sender mit 43 Prozent den Fuß in der Tür zu haben. Seit letzter Woche ist klar: Die Gesellschafter fanden offenbar keinen spendablen Käufer - und so hat der schon bisher als Hauptgesellschafter agierende Münchner Filmehändler Herbert Kloiber von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht und den Sender fast zur Gänze übernommen.


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Das freilich bedeutet für den Sender mit dem putzigen Hündchen und seine Mannschaft in erster Linie mehr Druck. Denn bisher hat das "System Kloiber" aus dessen Sicht gut funktioniert. Zwar machte der Sender, der zuletzt bei bescheidenen 2,6 Prozent Marktanteil lag, nie Gewinne. Und doch verdiente Kloiber mit seinen mehr als 54 Prozent Anteil gut: Denn Kloiber ist auch einer der wichtigsten Filmehändler und handelt als solcher mit zahlreichen Senderechten für den deutschsprachigen Raum.

Auch ATV spielte viele Kloiber-Filme, etwa zuletzt die sonntägliche Bond-Reprise. Dafür zahlte ATV an Kloiber Geld. Die Verluste des Senders musste Kloiber jedoch als Minderheitsgesellschafter nur zum Teil decken. Dieses System hat sich Kloiber übrigens von Ex-Medienmogul Leo Kirch abgeschaut, der damit (etwa bei Sat1) jahrelang gut verdiente. Bei RTL2 ist die Struktur übrigens ähnlich, auch dort hält Kloiber etwa ein Drittel der Anteile - RTL2 kauft Kloiber-Ware und ist zudem noch hoch profitabel.

Bei ATV ist dieses Erlösmodell nun jedoch untauglich. Da Kloiber nun der einzig maßgebliche Gesellschafter ist, muss für den Hundesender eine neue Strategie gefunden werden. Und die kann nur sein, den Sender so gut es geht aufzupeppen und dann möglichst teuer zu verkaufen. Und dazu braucht es Quoten, Quoten und nochmals Quoten. In einem ersten Schritt schickte Kloiber einen Top-Profi nach Wien, der hier seit Montag werkt: Ludwig Bauer, einst mächtiger Manager im Kirch-Reich, soll den Karren nun wieder flott machen.

Denn ATV hat, trotz zahlreicher teurer Experimente, nie wirklich Fuß fassen können. Das teure Experiment mit der Fußball-Bundesliga geriet zum Flop (auch weil es nicht zum Image des Senders passte), die Eigenproduktionen gingen allzu oft im Sperrfeuer der ORF-Marketingmaschinerie unter und die Politik konnte sich auch nie ernsthaft dazu aufraffen, dem Sender mit strengeren Regeln zum dualen Rundfunkmarkt unter die Arme zu greifen. Nicht einmal von der aktuellen (selbst verursachten) Quotenkrise des ORF konnte ATV bisher profitieren.

Es bleibt abzuwarten, ob der Sender nach dem Verkauf nun ordentlich Gas geben kann.