Manfred Juraczka wird neuer Obmann, er profitiert von niedriger Erwartungshaltung.
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Wien.
Der stetige Sinkflug in der Wählergunst; der hohe Obmann-Verschleiß, der im Herbst im entnervten Rücktritt von Christine Marek gipfelte; dazu eine erschreckend schwache Kampagnenfähigkeit: Die Wiener ÖVP ist binnen weniger Jahre vom gewaltigen Stimmenbringer für einen schwarzen Bundeskanzler (2002) zu einer am Rande der Bedeutungslosigkeit dahindümpelnden Oppositionspartei geworden, der Umfragen einen Zuspruch nur noch im einstelligen Prozentbereich nachsagen. (Bei der Wien-Wahl im Oktober 2010 waren es 14Prozent).
Der, der den Abstieg der Stadtpartei aufhalten soll, wird nun am kommenden Samstag auf dem 34.ordentlichen Landesparteitag gewählt: Manfred Juraczka ist nach einer länger währenden Suche als einziger Kandidat für den Posten übrig geblieben - der 43-jährige Hernalser kann immerhin mit einem der wenigen Posten eines Stadt-Schwarzen aufwarten. Als nicht-amtsführender Stadtrat ist er dazu da, die rot-grüne Regierung im Stadtsenat zu kontrollieren und ihr ab und zu auf die Finger zu klopfen.
Politexperte Thomas Hofer sieht in der derzeitigen Ausgangslage aber durchaus auch Chancen: "Juraczka kann sich daran klammern, dass niemand rasch eine Wende erwarten kann. Die ist auch so schnell nicht in Sicht." Schließlich sei auch die Bundespartei aktuell alles andere als zugkräftig. Und auch was die Umfragen betrifft, kann Juraczka seine Partei nur noch nach oben führen: "Die Talsohle ist erreicht. Viel weiter nach unten kann es nicht mehr gehen", glaubt der Politikexperte.
"Stammklientel binden"
Hofer rät ihm zu einer Doppelstrategie, um aus dem Tal der Tränen zu kommen: Zum einen müsse der Neo-Obmann zwischen den ideologischen Blöcken Rot-Grün beziehungsweise FPÖ als derzeitiger Oppositions-Monopolist stärker reüssieren; zum anderen müsse er versuchen, die ehemalige schwarze Stammklientel wieder stärker an die Partei zu binden. "Diese mit kleineren Kampagnen zu überzeugen, muss eine der ersten Aufgaben von Juraczka sein", meint Hofer.
Ob die Saat aufgeht, würde sich aber nur bedingt schon bei der Nationalratswahl (planmäßig 2013) zeigen. Wird wie kolportiert Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz zum Spitzenkandidaten für Wien bestellt und fährt dieser ein respektables Ergebnis ein, dann "würde es Kurz gutgeschrieben werden"; setzt es ein schlechtes Resultat, müsse wohl Juraczka dafür herhalten. "Wie er es macht, ist es falsch", konstatiert Hofer daher.
Wesentlich wichtiger werde aber die Zeit nach der Nationalratswahl: "Dann muss er thematisch voll aufgestellt sein und alle Schlüsselthemen - wie etwa die Wirtschaftskompetenz - müssen wiederbelebt sein."
Die Wahl am Samstag wird jedenfalls der erste Gradmesser: "Ein Neuner vorne wäre ein positives Zeichen für ihn. Alles unter 80 Prozent wäre allerdings eine zusätzliche Baustelle, die ihm das Leben als Parteichef nicht erleichtern würde", meint Hofer. Marek erreichte vor zwei Jahren übrigens 96 Prozent der rund 600 Delegiertenstimmen - trotzdem war sie nicht lange Obfrau.
Als einzig relevante inhaltliche Weichenstellung soll am Parteitag eine neue Listenerstellung vorbereitet werden: Wie aus der Stadtpartei zu erfahren war, sollen künftig die Bezirke besser eingebunden werden. "Die Listenerstellung wird nun aus dem Parteistatut herausgenommen und dann in Arbeitsgruppen neu definiert." Am Ende soll ein Beschluss im Parteivorstand (und nicht mehr auf einem Parteitag) erfolgen.
Angesagt aus der Bundesregierung haben sich außer Staatssekretär Kurz unter anderen Bundesparteichef Michael Spindelegger, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Klubchef Karlheinz Kopf.
Siehe auch:Hauptstadtszene: Don Quixote kommt diesmal aus Hernals