Klima-Vorstand an britischer Universität lässt nach Diebstahl von Daten Amt ruhen. | Klimatologen bestreiten Vorwurf der Datenfälschung. | London/Wien. Für Phil Jones sind es turbulente Zeiten, so knapp vor Beginn des Klimagipfels in Kopenhagen. So turbulent, dass der Direktor der eigentlich angesehenen Climate Research Unit (CRU) an der britischen East Anglia Universität am Mittwoch seine Funktion sogar ruhend gestellt hat.
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In Bedrängnis hatte den 57-jährigen Klimatologen dabei eine nicht abreißen wollende Kette von Vorfällen gebracht, die die Glaubwürdigkeit seines Instituts arg in Mitleidenschaft gezogen haben. Das bisher letzte Missgeschick wurde vor kurzem von der britischen "Times" publik gemacht. Demnach hat die CRU, die dem International Panel on Climate Change (IPPC) als wichtiger Informationslieferant dient, eine große Menge an historischen Klimarohdaten beim Umzug des Instituts in den 80er Jahren einfach im Müll entsorgt. Die CRU, die damals ebenso wie die gesamte Klimawissenschaft noch ein Schattendasein zu fristen hatte, musste Platz sparen.
Das auf Magnetbändern und Papier aufgezeichnete Datenmaterial stammte von dutzenden Wetterstationen rund um den Globus und diente in vielen Publikationen als Basis für die Rekonstruktion des Klimas der vergangenen 157 Jahre, wobei von einer Erwärmung von 0,8 Grad ausgegangen wurde. Unmittelbar nachgeprüft kann dies in der scientific community nun aber nicht mehr werden, was vor allem Wasser auf die Mühlen der Klimawandel-Skeptiker gießt.
Bei der CRU, die auch wesentliche Daten für die vier bisher erschienenen Weltklimaberichte geliefert hat, versuchte man nach dem Bekanntwerden der Entsorgungsaktion zu beschwichtigen. Noch immer im vollen Umfang verfügbar sei nämlich das weiterverarbeitete Material, das um lokalen Besonderheiten oder ortsspezifische Methoden der Datengewinnung bereinigt wurde. Zudem seien die Rohdaten über lange Zeit hinweg im "Global Historical Climatology Network verfügbar gewesen".
Alles nur "ein Trick"?
Noch viel mehr als die Datenentsorgung in den 1980ern, für die Jones auf Grund seiner damals nichtleitenden Position kaum direkt verantwortlich gemacht werden kann, hat dem Klimatologen aber wohl die zuvor ans Licht gekommene Hacker-Affäre geschadet. Unbekannte Computer-Experten hatten sich dabei Zugang zu den Computern der East Anglia Universität verschafft und dort hunderte E-Mails von Klimaforschern gestohlen. Das 63 Megabyte große Mail-Konvolut wurde kurz darauf ins Internet gestellt.
Brisanter als der Diebstahl an sich war aber - zumindest auf den ersten Blick - der Inhalt. So ist im Mailverkehr zwischen Jones und dem US-Klimaforscher Michael Mann etwa die Rede davon, dass ein "Trick" angewandt wurde, um aus Baumringen gewonnene Datensätze zu ergänzen. In einem weiteren Mail soll Jones Kollegen aufgefordert haben, Daten zu löschen.
Konkret ging es dabei um Mails, die Jones mit einem weiteren Kollegen über den letzten Weltklimabericht ausgetauscht hatte. In weiteren Mails soll der CRU-Direktor laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit Kollegen darüber diskutiert haben, wie man Artikel unliebsamer Wissenschafter aus Fachblättern heraushält und wie man Forschungsdaten vor neugierigen Blicken schützt.
Wie brisant der Mail-Inhalt tatsächlich ist, soll nun eine unabhängige Untersuchungskommisson bis zum Wochenende klären. Laut der East Anglia University wurden "aber keinerlei Daten gelöscht oder verändert". Und auch sonst könnte sich der bereits als "Climategate" apostrophierte Vorfall möglicherweise als Sturm im Wasserglas entpuppen. So deutet derzeit wenig daraufhin, dass die Mails große argumentativen Sprengsätze enthalten, die den Mainstream der Klimaforschung ins Wanken bringen könnte.
"Unglückliche Aussage"
"Wenn man sich die E-Mails genauer ansieht, erkennt man, das die beanstandeten Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen wurden", sagt etwa der Schweizer Klimaforscher Thomas Stocker im Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Die Aussagen mögen nicht sehr glücklich gewesen sein, eine Verschwörung der Klimawissenschafter sei aber bei bestem Willen nicht erkennbar. Zudem würde der mehrstufige Begutachtungsprozess im Rahmen des IPCC, an dem auch Klimawandelskeptiker beteiligt sind, verhindern, dass etwa unliebsame Autoren ausgeschlossen werden.
Und auch Michael Mann und Phil Jones versichern, dass mit "Trick" nur ein "besonders cleveres Vorgehen" gemeint war. Bis die East-Anglia-Untersuchungskommission auch zu dieser Auffassung kommt, muss Jones aber jedenfalls Däumchen drehen.