Die Milchbauern haben ein Anliegen: Sie wollen mehr Geld für ihre Rohmilch erhalten. Der Wunsch ist legitim - ob er aufgrund der Marktsituation gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. | Ein Lieferstopp ist freilich die schlechteste Variante, um auf diese Forderung aufmerksam zu machen. Viele Menschen betrachten es als Frevel, Lebensmittel zu vernichten. Wenn die Bauern die Milch lieber wegschütten, als sie an die Molkereien zu liefern, so wird dafür kaum jemand Verständnis aufbringen.
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Zudem spüren die Konsumenten seit etlichen Monaten im Geldbörsel, dass Lebensmittel teurer geworden sind. Diesen Kunden wollen die Bauern ernsthaft erklären, dass die Milch zu billig ist? Noch dazu, wo eben dieser Kunde verärgert vor einem leeren Regal steht? So werden die Milcherzeuger kein Verständnis und schon gar kein Wohlwollen erreichen.
Verglichen mit anderen Ländern, wo die Milch tatsächlich knapp wird, handelt es sich in Österreich allerdings ohnehin um einen Sturm im Milchglas. Die großen Molkereien beteuern unisono, wenig bis gar nichts von einem Lieferstopp zu bemerken. Was klar für die Vernunft und den Weitblick der heimischen Milchbauern spricht - und auch für das funktionierende Vertrauensverhältnis zwischen den Molkereien und ihren Lieferanten, die (als Genossenschafter) zum überwiegenden Teil Miteigentümer sind.
Der Verein IG Milch indes ist einmal mehr gescheitert. Er glänzte schon bisher eher mit mediengerechten Ankündigungen als mit konkreten Ergebnissen. Aber vielleicht ist genau das ein Ziel des Vereinsobmannes Ewald Grünzweil: Immerhin hatte der streitbare "Milchrebell" aus Bad Leonfelden den Verein selbst als "aktionistisch" beschrieben.
Eine echte Interessenvertretung ist die IG Milch nicht: Selbst wenn die Zahl von 6000 Unterstützern stimmen sollte, kann die IG Milch wohl kaum für österreichweit 43.000 Milchbauern sprechen.
Zudem verliert Grünzweil immer mehr an Glaubwürdigkeit. Alle groß angekündigten Aktionen sind bisher gescheitert - denn der aktuelle Boykottaufruf war nicht der erste Flop: Nichts wurde es mit der aberwitzigen Idee, den Molkereien die Genossenschafter abzuwerben.
Auch das Vorhaben eines "Milchpooles", mit dem höhere Marktpreise erreicht werden sollen, ist eingeschlafen.
Nicht viel besser ergeht es der eigens lancierten Milchmarke "A faire Milch", für die der Konsument freiwillig einen Aufpreis bezahlen soll. Ihr größter Erfolg ist bezeichnenderweise der Gewinn des "Österreichischen Staatspreises für Marketing" im Jahr 2006: Diesen erhielt die IG Milch dafür, dass sie viele Landstriche mit rot-weiß-roten Plastikkühen verschandelte. Eine auch ökologisch fragwürdige PR-Aktion.
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