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Stütze für Ashton in rauen Zeiten

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Kritik an EU-Außenministerin reißt nicht ab. | Neuer EU-Dienst könnte im Dezember starten. | Brüssel. Diesen Erfolg kann EU-Außenministerin Catherine Ashton gut brauchen: Bevor sie am Dienstag zu ihrer Indien-Reise aufbrach, konnte sie eine vorläufige Einigung mit dem EU-Parlament über den Aufbau ihres Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) erzielen, der ab Dezember die Arbeit aufnehmen soll. Denn in Brüssel will die Kritik an Ashton nicht verstummen, die letzten Herbst wegen der politischen Farbenlehre und Stimmungslage ins Amt gespült worden war.


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Ihre üblichen Arbeitswochen dauerten nur mehr von Montag bis Donnerstag, hieß es in Diplomatenkreisen. Dann fahre die außenpolitisch völlig unerfahrene Amtsinhaberin nach Hause nach Großbritannien und sei selbst in wichtigen Fällen nicht am Handy erreichbar. Ein ihr zugedachter Vermittlungsversuch im Atomstreit mit dem Iran sei deshalb geplatzt. Die Spitzen der Europäischen Volkspartei habe Ashton trotz fixer Zusage mehr als eineinhalb Stunden vergeblich beim Abendessen warten lassen, wird im EU-Parlament erzählt. Das vor Monaten zerfallene Presseteam der EU-Außenministerin agiert mit Minimalbesetzung, weil sich offenbar kein Personal finden lässt.

Da kommt die Aussicht gelegen, dass sich die frühere britische Gesundheitsstaatssekretärin bald auf eine eigene Institution stützen könnte: Der EAD solle schlanker organisiert sein als nationale diplomatische Dienste, hieß es aus Ashtons Umfeld. Gut 1100 Diplomaten und ein Gesamtpersonalstand von bis zu 6000 Bediensteten sei angestrebt. Die umfassten auch schon lokales Personal in 130 EU-Delegationen.

Hundert neue Posten

Zudem werde weitgehende Kostenneutralität des neuen Dienstes angestrebt. Schließlich soll das Gros der neuen Diplomaten bloß aus den bisher für Außenpolitik zuständigen Abteilungen von EU-Kommission und EU-Ratssekretariat umgeschichtet werden. Nur rund 250 Posten sollen aus den Außenministerien der Mitgliedstaaten kommen, etwa 100 davon würden neu geschaffen. Frühere Zugeständnisse an das EU-Parlament wie die volle Haushaltskontrolle durch die Abgeordneten über den EAD wurden präzisiert. Darunter fällt auch das formell letzte Wort der EU-Kommission bei strategischen Entscheidungen und der operativen Durchführung von Entwicklungshilfe und Nachbarschaftspolitik. Entwickelt werden die Konzepte aber künftig über die zuständigen Abteilungen im EAD. Die Kommissare für Entwicklungshilfe und Nachbarschaftspolitik oder der Außenminister des jeweiligen Vorsitzlandes sollen Ashton politisch vertreten können. Wenn das Parlament dem Kompromiss Anfang Juli final zustimmt, könnten die EU-Außenminister den EAD noch im selben Monat formell einrichten. Im Idealfall könnte er zum ersten Geburtstag des Lissabonner Vertrags am 1. Dezember die Arbeit aufnehmen.

Spätestens dann soll nach Auskunft von Ashtons stellvertretender Sprecherin auch das Presseteam wieder vollzählig sein. Alle kursierenden Geschichten dementierte sie: Ashton gehe nicht am Donnerstag ins Wochenende und sei immer telefonisch erreichbar. Die Terminkoordination werde besser funktionieren, wenn das System einmal eingespielt ist. Ein weiteres hartnäckiges Gerücht besagt freilich, dass Ashton bis dahin der frühere britische Außenminister David Miliband ersetzen könnte.