Merkel: Athen hat bisher nicht um Hilfe gebeten. | Hauptverantwortung soll weiter bei den Griechen liegen. | Unterschiedliche Meinungen über Machbarkeit konzertierter Aktionen. | Brüssel. Um Griechenland vor dem Bankrott zu bewahren, soll ein Hilfspaket für das finanziell am Abgrund stehende Land geschnürt werden. Das haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen am Donnerstag beschlossen. | Analyse: Vernetzte Banken, nationale Politik | Der Spekulation wird Wind aus den Segeln genommen | Wer nicht gegen alle Interessen agiert, verliert | Interview mit Göran Persson | Von Korruption gelähmt: Das griechische Bakschisch-Drama | Sozialist muss im Sozialen kürzen
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Die Hilfen sollen jedoch nur als letzte mögliche Karte ausgespielt werden, wenn die Griechen tatsächlich an ihren Reformplänen scheitern. Bisher habe die Regierung in Athen noch gar nicht um Unterstützung gebeten, sagten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Nicolas Sarkozy, Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy übereinstimmend.
"Entschlossene und koordinierte Schritte"
"Mitglieder der Eurozone werden entschlossene und koordinierte Schritte unternehmen, um die finanzielle Stabilität in der gesamten Eurozone zu sichern, wenn das notwendig ist", heißt es in der gemeinsamen Erklärung, die Van Rompuy im verschneiten Park der Bibliothek Solvay verlas, in die er die EU-Staats- und Regierungschefs eingeladen hatte.
Mit dieser Zusicherung der Unterstützung sollte den Märkten Vertrauen in Griechenland und vor allem den Euro suggeriert werden. Schließlich gibt die Kreditwürdigkeit der Länder mit der gemeinsamen Währung schon lange kein einheitliches Bild mehr ab (siehe Grafik).
Bloß war die Erklärung offenbar vorerst zu schwach: Kurz nach der Rede des Belgiers fielen die Eurokurse nach einem kurzen Zucker nach oben von knapp 1,38 Dollar wieder auf knapp über 1,36 Dollar ab - den tiefsten Stand seit neun Monaten (siehe auch Artikel auf Seite 4).
Griechen müssen Radikalkur angehen
Und der weitere Kursverlauf hänge von den konkreten Maßnahmen ab, mit denen Griechenland gestützt werden soll, hieß es. Doch sowohl Merkel als auch Sarkozy wichen Fragen nach der Ausformung der Hilfestellungen konsequent aus. Zu aller erst sei Griechenland selber gefragt, seinen radikalen Sparplan durchzusetzen, beharrten sie einmütig.
Schon heuer müsse die griechische Regierung ihr Defizit von fast 13 Prozent um vier Prozentpunkte drücken, fordern die Gipfelbeschlüsse. Die Finanzminister sollen den Vorschlag der Kommission für eine Überwachung der griechischen Wirtschafts- und Finanzpolitik von nie da gewesener Strenge am Dienstag absegnen.
Sollten die Griechen - etwa wegen innenpolitischer Widerstände - nicht in der Lage sein, die angekündigte Radikalkur durchzuführen, soll die Kommission auch beim Internationalen Währungsfonds (IWF) um Tipps für die Disziplinierung des Landes fragen. Der IWF hat weltweite Erfahrung mit der Durchsetzung von Reformen als Bedingungen für seine Kredite; sein Geld soll jedoch nicht ein Teil der Lösung des Griechenland-Problems sein.
Wie die Unterstützung der Griechen im äußersten Notfall aussehen wird, beschäftigt wohl als nächstes erst einmal die Finanzminister bei ihrem Treffen Anfang kommender Woche - immerhin muss Athen heuer noch fast 53 Milliarden Euro aufstellen.
Die Gipfelerklärung zu Griechenland unterfüttert allerdings den Eindruck, dass es sich wahrscheinlich nicht um EU- oder Eurozonenleistungen, sondern eher um Hilfestellungen einer losen Ländergruppe aus den Reihen der Eurogruppe handeln dürfte.
Staatsanleihen, Garantien, Kreditlinien
Trotz aller Dementis müssten wohl Deutschland und Frankreich die Führung bei der Stützung Griechenlands übernehmen. Als wahrscheinliche Varianten dafür kursierten zuletzt der Aufkauf griechischer Staatsanleihen bei einer Neuauflage, Garantien für die griechischen Schuldverschreibungen oder auch Kreditlinien.
Denn über die rechtliche Machbarkeit einer tatsächlichen Aktion der Europäische Union oder auch nur der Eurozone gibt es zwischen der Kommission und den Mitgliedsländern sehr unterschiedliche Meinungen.