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Subsidiarität - das neue Wundermittel?

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

Beständig hält sich das Bild der bürokratischen, unflexiblen EU. Der politische Diskurs in den Nationalstaaten ist daran nicht ganz unschuldig.


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Das Prinzip der Subsidiarität ist sperrig, aber trotzdem - oder gerade deshalb - in aller Munde. Neu ist es ja nicht, wenn es um die EU geht. Vor 25 Jahren wurde es im Maastricht-Vertrag offiziell verankert. Der aktuelle Vertrag von Lissabon bekräftigt, dass Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden und verhältnismäßig sein sollten, also nicht über das für die Erreichung der Vertragsziele Erforderliche hinausgehen. Subsidiarität ist dabei keine Einbahnstraße.

Aus europäischer Sicht soll die EU etwa dann tätig werden, wenn die Ziele einer Maßnahme "wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen" auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene nicht ausreichend erreicht werden können. Nationale Parlamente wiederum können Initiativen, die aus ihrer Sicht dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen, sehr wohl beeinspruchen.

Im türkis-blauen Regierungsprogramm wird das Prinzip als "Garant gegen zentralistische Tendenzen in der EU" gepriesen. Die Union soll "auf die wesentlichen, für gemeinsame Lösungen geeigneten Themen fokussieren" und "überbordende Regulierung auf EU-Ebene" gestoppt werden.

Beständig hält sich das Bild der bürokratischen, unflexiblen Union. Der politische Diskurs ist daran nicht ganz unschuldig. Denn nicht selten wird der Eindruck vermittelt, dass wir es alleine eigentlich doch besser machen könnten. Aus welchen - guten - Gründen jedoch die EU-Mitglieder der Union ausschließliche Zuständigkeiten übertragen haben (etwa bei Handels- und Wettbewerbspolitik, Zollunion, Landwirtschaft, Währungspolitik), wird ungern erklärt. EU-Vorgaben in gemischten Zuständigkeitsbereichen, wie die Ökodesign-Richtlinie oder die Allergenverordnung, werden lieber medial als Schikane aus Brüssel gebrandmarkt. Und das, obwohl jedes Mitgliedsland aktiv an deren Beschluss beteiligt war und es, durchaus beabsichtigt, nationale Spielräume bei der Umsetzung gibt. So hatte sich etwa Österreich bewusst für eine strengere Allergenkennzeichnung entschieden, als dies in anderen EU-Ländern der Fall war. Den öffentlichen Unmut darüber durfte aber doch wieder Brüssel ausfassen. Da nützt es wenig, wenn die EU-Kommission betont, sich auf Bereiche mit größerem Mehrwert zu konzentrieren. Auch eine verbesserte Rechtsetzung - also weniger Initiativvorschläge - hilft der Imagepflege kaum.

Die Konsequenz: Der eigenen Übererfüllung von Rechtsvorschriften und EU-Mindeststandards soll nun hierzulande ein Riegel vorgeschoben werden. Ein Vorhaben, das höhere nationale Standards zumindest auf die Probe stellt und in der öffentlichen Wahrnehmung Gefahr laufen könnte, wiederum als blinder Nachvollzug einer EU-Verordnung interpretiert zu werden.

Es macht Sinn, ein Regelwerk gründlich zu durchforsten. Umsetzungsspielräume sollten jedoch bei Bedarf auch genützt und europäische Regelungen nicht a priori als Eingriff in die nationale Souveränität geschmäht werden. Dass die EU in großen Fragen groß sein soll, wird jeder unterschreiben. Doch auch dafür braucht es die Bereitstellung entsprechender finanzieller Ressourcen. Hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander.