)
Angleichung auf niedrigerem Niveau ist zum politischen Programm geworden. Und die Massenmedien helfen fleißig mit.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wir leben in Integrationszeiten und freundlicher, korrekter Politik. Trotz Integration wird die Diversität und Segregation gefördert, zumindest kulturell. Eigenheiten werden nicht nur herausgekehrt oder betont, sondern ab- und ausgrenzend als Identifikationsmittel so stark eingesetzt, dass die Integration kaum gelingt, weil sich dieses Unterfangen nicht nur politisch, sondern auch im Alltagsleben auswirkt. Auch im Sprachlichen, sowie generell im Bildungsbereich, wird nicht versucht, den Sprach- oder Wissenserwerb effektiv zu fördern. Das Erlernen der Landessprache wird von vielen Emigranten als Zumutung gesehen, Versuche zur Hebung des Sprachniveaus von Inländern als bürgerliche Anmaßung. Die erstrebte Gleichstellung beziehungsweise Gleichheit erfolgt über die Senkung des Bildungsniveaus.
Die Massenmedien wirken da seit Jahren kräftig mit. Um ihre Klientel breitestmöglich zu erreichen, üben sie sich schon lange in einem Basis- oder Neudeutsch, meiden komplexe Satzbauten oder überhaupt elaborierte Sprache. Der Einfluss von Slangs und Ghettojargons wird von der Werbung smart aufgegriffen und in einer Gemengelage von Neudeutsch kommuniziert. Die neuen Medien, insbesondere Social Net und Twitterei, helfen die Kurzsprech entsprechend dem Kurzdenk zu verfestigen. So sieht die neue, freundliche Offenheit aus. Aus Respekt vor den Eigenheiten der Anderen wird im Abbau von Kultur, Bildung und Sprache eine Annäherung gesehen: Weg mit den Barrieren! Und Sprachanforderungen sind Barrieren.
Diese Problematik ist in allen Ländern der EU zu beobachten. In der Schweiz läuft schon seit Jahren eine Debatte um den Stellenwert des Dialekts Schweizerdeutsch. Für weite Teile gilt Hochdeutsch als zweite Sprache, die erlernt werden müsse, die man aber eigentlich nicht brauche. Rechte Nationalisten verbünden sich mit etlichen sich links-grün verstehenden Korrekten für die besondere Pflege des Dialekts als Erstmuttersprache.
Die Probleme der Abschottung und Verdünnung des Sprachwissens, der Isolation von der deutschen Sprachgemeinschaft, wiegen wenig. Wenn Fachleute für Hochdeutsch plädieren, nicht als alleinige Sprache, sondern als ebenbürtige Muttersprache neben dem Dialekt, werden sie oft der unangebrachten Deutschfreundlichkeit geziehen.
In Großbritannien hat sich soeben die Queen’s English Society aufgelöst. Sie findet keine Arbeitsmöglichkeiten mehr. Im heruntergekommenen britischen Bildungssystem wird seit Jahren der niedrige Standard der Muttersprache beklagt. Jedoch fanden sich keine Wege, ihn zu heben. Viele Experten meinen aber, man solle die Rechtschreibung nicht so ernst nehmen und unterschiedliche Schreibweisen akzeptieren. The downgrading is in! Im Namen der kulturellen Diversifikation und als Ausdruck einer multikulturellen Gesellschaft wird die private Freiheit zur Regelmissachtung gepriesen. Der Sprachverfall korrespondiert mit dem gesellschaftlichen. Bedauerlich, dass die Anwälte der Nivellierung als Heilsbringer verkannt werden. Anstatt "High Standards" - Substandard.