Zum Hauptinhalt springen

Suche in den Kerkern nach Angehörigen

Von Nayla Razzouk

Politik

Bagdad - Die Bewohner der irakischen Hauptstadt machen sich in den Trümmern der Regierungsgebäude auf die Suche nach ihren Angehörigen, die in den Jahren von Saddam Husseins Herrschaft verschleppt worden sind.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Inmitten der Überreste der einst berüchtigten Zentrale der Geheimpolizei in Bagdad kniet Mohamad Rida und lauscht. Minutenlang presst der ältere Mann ein Ohr auf den Boden in der Hoffnung auf ein Lebenszeichen aus der Tiefe. Er sucht nach seinen drei verschollenen Brüdern Majid, Wahid und Mushaffar. "Auch wenn sie nur noch Leichen oder Knochen sind, ich will Klarheit", sagt der Kurde. Rida ist nur einer von Vielen, die sich nach der Implosion des irakischen Polizeistaates auf die Suche nach ihren verschollenen Angehörigen gemacht haben. Die Familien zehntausender Menschen, die während der 24-jährigen Gewaltherrschaft Saddam Husseins verschwanden, durchstreifen die Zentralen des Schreckens in Bagdad.

Männer, Frauen und sogar Kinder durchstöbern die Gebäude, von denen zum Teil nach dem Dauerbombardement der US-geführten Streitkräfte nur noch Trümmer übrig sind. Verzweifelt durchforsten sie Dokumente, trotzen zerstörten Treppen und finsteren Kerkern auf der verzweifelten Suche nach möglichen Spuren ihrer Lieben. "Noch vor kurzem war es unmöglich, aus dem Auto auch nur einen Blick in die Geheimpolizei-Zentrale zu werfen", sagt Mohamad Rida. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir jetzt hier drin sind."

Der massive Komplex der Geheimpolizei soll eine der größten Anlagen gewesen sein, in der Menschen ohne Anklage wegen angeblich regimefeindlicher Haltung eingesperrt wurden. Akil Salman spricht von einem "furchtbaren Polizeiregime, in dem jeder jeden verraten hat". Er sucht in der zerstörten Polizeizentrale nach seinem Bruder Ali, der seit 1979 verschwunden ist. "Die wenigen Leute, die wieder aufgetaucht sind, berichten von grauenhafter Folter, oft bis zum Tod."