Absage von Irmgard Griss bringt Regierungsparteien bei Suche nach überparteilichen Kandidatur in Zugzwang.
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Wien. Die repräsentative Demokratie hat schon ihre Vorzüge. Oder hat jemand Lust auf weitere vier Wochen Wahlkampf um ein Präsidentenamt? Nach zwölf Jahren Amtszeit muss der Chef des Rechnungshofes, Josef Moser, seinen Posten am 30. Juni räumen und ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin bis dahin bestellt werden. Die Wahl obliegt dem Nationalrat, für 8. Juni ist ein Hearing aller Kandidaten im Hauptausschuss festgelegt, die Entscheidung fällt dann das Plenum.
Eine Favoritin auf den Posten hat sich am Montag selbst aus dem Rennen genommen: Irmgard Griss. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, die im ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl recht knapp den Einzug in die Stichwahl verpasst hatte, war in der Vorwoche von allen Parteien bis auf die FPÖ antichambriert worden. Doch Griss ließ wissen, dass sie "andere Persönlichkeiten geeigneter für dieses Amt" sehe, wie sie der Austria Presse Agentur sagte.
Auch private Gründe hätten eine Rolle gespielt, betonte Griss. Dem Vernehmen nach soll die Amtsdauer von zwölf Jahren ein nicht unwesentlicher Grund für die Absage gewesen sein. Bei Auslaufen der Periode wäre die ehemalige Richterin 81 Jahre alt.
Griss’ Rückzug bringt die Regierungsparteien in Zeitdruck, denn die Kandidaturen müssen bis Freitag, 12 Uhr, eingereicht werden. Pro Fraktion sind zwei Bewerber möglich, die sich dann im Hearing bewähren müssen. Entgegen ursprünglichen Plänen wird danach im Plenum nur über einen Kandidaten abgestimmt. Zwar hatte sich der Hauptausschuss bereits darauf verständigt, dem Plenum zwei Bewerber zur Auswahl vorzulegen, ein Gutachten der Parlamentsdirektion hat dieses Ansinnen aber unterbunden. Es geht rechtlich nicht.
Für die Parlamentsklubs von SPÖ und ÖVP dürfte es daher eine hektische Woche werden. Griss wäre als deklariert Unabhänige die scheinbar perfekte Kandidatin gewesen. Sie hatte sich in der Öffentlichkeit durch ihren schonungslosen Hypo-Bericht großes Vertrauen erarbeitet, ihre Kompetenz steht außer Zweifel, und zudem hätten die Regierungsparteien dem "neuen Politik-Stil" gleich ein Gesicht gegeben, ein prominentes obendrein. Außerdem: Griss wäre die erste Frau in dieser Position.
Helga Berger als Option
Was nun? Im 28-köpfigen Hauptausschuss haben Rot und Schwarz naturgemäß eine Mehrheit, allerdings kommen auch ÖVP und FPÖ auf 14 Stimmen und könnten damit grundsätzlich jede Entscheidung blockieren. Das verbessert zunächt einmal die Verhandlungsposition der ÖVP, die, wie zu hören ist, derzeit von der FPÖ gelockt wird.
Die Freiheitlichen dürften nämlich Helga Berger nominieren. Sie kennt den Rechnungshof bereits von innen, im Dezember holte sie dann Hans Jörg Schelling ins Finanzministerium, wo sie seither die Budgetsektion leitet. Es ist einer der Top-Beamtenjobs der Republik, weshalb Berger eine Kandidatin mit durchaus seriösen Chancen wäre.
Was gegen sie spricht: Das Finanzministerium müsste die wichtige Position zum dritten Mal in zwei Jahren neu besetzen. Bergers Vorgänger Manfred Lödl, der im Herbst in Pension ging, hatte erst 2014 von Gerhard Steger übernommen, der nach 16 Jahren als "Mister Budget" als Abteilungsleiter in den Rechnungshof gewechselt war. Auch Steger ist ein möglicher Kandidat, er galt lange Zeit sogar als logischer Nachfolger von Moser. Steger dürfte vermutlich auch von der SPÖ nominiert werden und würde jedenfalls ausreichend Know-how und Erfahrung mitbringen, allerdings ziert sich die ÖVP.
Die zwei um "neuen Stil" bemühten Koalitionsparteien, die Gemeinsames über Trennendes stellen wollen, werden bis Donnerstag daher an einem überparteilichen Kandidaten basteln beziehungsweise einer Kandidatin, wobei Grüne und Neos ebenfalls miteingebunden sind. Sie könnten sich einer solchen Kandidatin anschließen, wie sie es im Fall von Griss getan hätten.
Überparteiliche Kandidatin?
"Ich glaube, dass SPÖ und ÖVP wirklich wollen", sagt der grüne Abgeordnete Werner Kogler. Beide Oppositionsparteien haben auch eigene Kandidaten im Talon. Die Grünen könnten ihre Rechnungshofsprecherin Gabriela Moser nominieren. Auch sie hatte sich als Hypo-Aufdeckerin profiliert. Das wäre die Variante "aus dem Parlament", die Neos haben bereits den Rechtsanwalt Wolfram Proksch als Bewerber präsentiert. Beide wären zwar zweifellos "neuer Stil", aber nicht überparteilich.
Dass die lange Periode von zwölf Jahren mögliche Kandidaten offenbar abschreckt, befeuert auch die Debatte, ob es nicht sinnvoller wäre, ähnlich den Landesprüfbehörden, die Amtszeit zu verkürzen. Elmar Mayer, Rechnungshofsprecher der SPÖ, sagt: "Mir wären sechs Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit lieber." Auch die Neos dürften diese Variante präferieren, wobei eine Umstellung für die kommende Amtszeit kein Thema mehr ist. Zu spät.
Uneinigkeit bei Amtszeit
Der Zeitdruck ist laut Mayer auch ein Grund, weshalb er für eine kürzere Periode eintritt. Kann nach dem Rückzug von Griss in vier Tagen wirklich eine Top-Kandidatin gefunden werden? Der Grüne Kogler verteidigt die lange Amtsperiode. "Zweimal sechs Jahre begünstigen, in der ersten Periode vorsichter zu sein." Schließlich muss der Präsident, die Präsidentin vom Nationalrat wiederbestellt werden. "Die zwölf Jahre sind eine klare Unabhängigkeitsstellung, das muss man verteidigen", sagt Kogler.
Bis Donnerstag wird jedenfalls noch ziemlich viel telefoniert werden, um dem Hauptausschuss einen Ersatz für Irmgard Griss präsentieren zu können. Geeignete Kandidaten gebe es wohl ausreichend, aber wollen diese dann auch und können sich binnen weniger Stunden entscheiden? Aus Parlamentskreisen ist zu hören, dass die Parteien bemüht sind, eine Kandidatin zu finden. Das wäre auch logisch. Denn der Gleichstellung das Wort zu reden, dann aber, wie in Oberöstereich, keine Frau in die Landesregierung zu holen, oder, wie bei der Bundespräsidentenwahl, nur Männer aufzustellen, geht eher nicht zusammen. Und auch beim Kanzlerwechsel blieb in dieser Hinsicht alles beim Alten. Nach wie vor sind außerdem lediglich 4 der 16 Regierungsmitglieder Frauen.