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Suche nach annehmbarer Lösung

Von Barbara Ottawa

Wissen

Die Reformbedürftigkeit der österreichischen Universitäten wird von niemandem bestritten. Das "Wie" hat allerdings in den letzten Jahren und vor allem in den letzten Monaten immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Angehörigen der Universitäten geführt. Der von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer vorgelegte Entwurf zum Universitätsgesetz 2002 stößt auf eine breite Ablehnungsfront an den Hochschulen. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) hat für heute zum Streik aufgerufen. Doch seit letzter Woche bewegt sich wieder etwas in der Diskussion. Für viele kleinere und größere Streitfragen muss ein Kompromiss gefunden werden - die Verhandlungstische sind wieder besetzt.


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"Heute geschlossen" - kann man heute in den großen Universitätsstädten an den Gebäuden der Hochschulen lesen. Trauermärschen, bei denen die Universität zu Grabe getragen wird, werden Leichenschmäuse folgen. Die GÖD fordert eine Rücknahme des Gesetzesentwurfes und statt dessen eine Weiterentwicklung des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) 93.

Die bisherigen Gespräche hätten kein annehmbares Ergebnis gebracht. Das ist einer der Hauptkritikpunkte der Unterstützer des Streikes. Ministerin Gehrer wird mangelnde Gesprächsbereitschaft und die fehlende Umsetzung von Forderungen vorgeworfen. Das wurde in einer gemeinsamen Deklaration der Vertreter des universitären Mittelbaus, des nicht-wissenschaftlichen Personals und der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) festgehalten. Auch von den Universitätskliniken wird der Streik unterstützt. Die lückenlose Versorgung der Patienten sei jedoch gewährleistet, betonte Michael Gnant, Universitätsreferent der Ärztekammer in Wien.

Regierung gegen Opposition

"Völlig unverständlich" ist der Streiktag für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der Gehrer beim gestrigen Ministerrat den Rücken stärkte. Über die Universitätsreform seien "unzählige Gespräche" und eine breite offene Diskussion an den Unis geführt worden, so Schüssel. Diesen vielzitierten "offenen Diskussionsprozess" sieht neben Befürwortern der Reform - wie der Industriellenvereinigung und vom Ministerium zitierten ausländischen Experten - auch der Universitätsprofessorenverband (UPV). Das Ministerium sei immer für eine Diskussion offen gewesen, bestätigte UPV-Vorsitzender Wolfgang Zach. Der Streik gehe zu Lasten der StudentInnen.

Diese Auffassung teilt auch die VP-nahe Studentenfraktion "AktionsGemeinschaft" (AG). Kritik übte deren Chef Christoph Rohr an der von einer Links-Koalition gestellten ÖH-Spitze: Mit der Unterstützung des Streiks werde die ÖH mehr zu einer Assistenten- als zu einer Studentenvertretung.

Auch in der Bundespolitik laufen viele Kritikpunkte und Gegenargumente entlang parteipolitischer Linien. Die SPÖ fordert die völlige Rücknahme des jetzigen Entwurfes und hat einen eigenen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der vor allem die Rücknahme der Studiengebühren beinhaltet. Die Grünen kritisieren an Gehrers Entwurf vor allem, dass unter anderem durch den Universitätsrat die Kontrolle durch das Ministerium nicht zurück gehe.

FP-Wissenschaftssprecher Martin Graf fasste in einer Pressekonferenz die Punkte zusammen, die von allen befürwortet würden: Die Vollrechtsfähigkeit der Universitäten, die Globalbudgets und die Autonomie über Finanzen, Ressourcen und Organisation. Doch für das "Wie" muss in vielen Fällen noch ein Kompromiss gefunden werden, der jedoch nach der FPÖ "hart" an Gehrers Entwurf liegen solle.

Der Vorsitzende der Österreichischen Rektorenkonferenz (ÖRK), Rektor Georg Winckler, sagte, dass er den Unmut der Lehrenden zwar verstehe, er setze aber weiter auf Verhandlungen. Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn am 21. Mai soll der Entwurf dem Ministerrat vorgelegt werden.

Mögliche Kompromisse

Nach Vorstellungen des Ministeriums soll die Autonomie der Universitäten weit reichend sein. Der Entwurf sieht vor, dass die Hochschulen in Zukunft selbst über ihre innere Struktur, wie etwa ihre Satzung, Institute, Fakultäten und dergleichen entscheiden können. Die Leitung der Universitäten soll durch ein Rektorat, bestehend aus einem Rektor und einer selbst zu bestimmenden Anzahl von Vizerektoren, den Senat und den Universitätsrat als Kontrollorgan erfolgen. Unterhalb der Leitungsebene können die Hochschulen Gremien einrichten, die jedoch nach Vorstellung des Ministeriums keine endgültigen Entscheidungsbefugnisse erhalten sollen. Das soll nach Wunsch der Rektorenkonferenz geändert werden, denn, so Winckler, große Universitäten könnten nicht ohne untergeordnete Entscheidungsebenen verwaltet werden.

Der Entwurf von Ministerin Gehrer enthält außerdem die Schaffung von drei neuen Universitäten, da die Medizinischen Fakultäten in Wien, Graz und Innsbruck ausgegliedert werden sollen. Die Argumentation des Ministeriums: Nur so wäre es möglich, den Medizinischen Fakultäten die Sonderregelungen zu ermöglichen, die sie zur Durchführung ihrer Arbeit (etwa die Betreuung von Universitätskliniken) brauchen. Letzte Woche haben sich allerdings die drei Universitäten auf einen Vorschlag geeinigt, wonach die Medizinischen Fakultäten bei den Stammuniversitäten verbleiben und trotzdem die Sonderrechte behalten. Der Vorschlag wird nun diskutiert. "Wir bestehen nicht auf einer Ausgliederung. Wenn es eine bessere Lösung gibt, wird diese evaluiert werden", ließ der Pressesprecher der Bildungsministerin, Roland Zecha, zuvor wissen.

Streitfrage: Kontrollorgan oder Einflussnahme

Einer der Hauptkritikpunkte am Gesetzesentwurf ist die Steuerung der Universitäten von außen. Ein Dorn im Auge ist vielen in diesem Zusammenhang der Universitätsrat.

Laut Vorschlag des Ministeriums soll er aus fünf Mitgliedern bestehen, die weder Angehörige der Universität, noch aktive PolitikerInnen oder MitarbeiterInnen des Ministeriums sein dürfen - um Unabhängigkeit zu gewährleisten. Zwei der Räte soll das Ministerium vorschlagen und zwei der Senat der Universität. Nach dem Ende der Begutachtungsfrist letzten Freitag ließ Gehrer mit dem Kompromiss aufhorchen, dass im Universitätsrat das fünfte Mitglied im Streitfall von der Universität und nicht vom Ministerium ausgewählt werden sollte. Für viele ist das jedoch nur eine oberflächliche, rein kosmetische Änderung.

Die Aufgaben des Universitätsrates, der vom Ministerium als eine Art Aufsichtsrat geplant ist, bestehen neben der Wahl des Rektors auf Vorschlag des Senats, des Budget- und Rechnungsabschlusses auch in der Genehmigung der vom Rektor vorgelegten Entwicklungsplanung und der Leistungsvereinbarungen.

Vor allem Letzteres sei eine operative Aufgabe, die nicht von einem universitätsfremden Gremium übernommen werden sollte, lautet die einhellige Meinung an den Universitäten. Die Änderungsvorschläge reichen von Genehmigung aller Universitätsräte durch die jeweilige Hochschule bis zur strikten Trennung zwischen strategischen, operativen und kontrollierenden Organen an den Universitäten.

Geld und Mitspracherecht als gröbere Knackpunkte

Die Finanzierung der neuen Autonomie ist einer der größten Sorgen der Universitätsangehörigen. Das Ministerium hat im Gesetzesentwurf Globalbudgets vorgesehen, über die die Universitäten selbst verfügen können. Diese seien "nicht gedeckelt", betont das Ministerium. Das bedeute, dass sie nach oben offen sein und in Verhandlungen mit den Universitäten ausgemacht würden. Zwischen den Universitäten und dem Ministerium soll es sogenannte Leistungsvereinbarungen geben.

Diese werden zwischen Ministerium und Rektorat ausgehandelt und stellen "keinen harten Vertrag" dar, so Sigurd Höllinger, Sektionschef im Bildungsministerium. Kritisiert wird an diesem Vorschlag, dass die Leistungsvereinbarungen nicht rechtsverbindlich sind und dass bei Nichteinhaltung das Universitätsbudget um bis zu 20 Prozent gekürzt werden kann.

Die Folgekosten der Universitätsreform seien zudem nicht ausreichend abschätzbar und bis jetzt lägen auch noch keine aussagekräftigen Daten vom Ministerium vor, sagen viele universitäre Gruppierungen. Kürzungen werden befürchtet.

Als einen "im Grunde guten Entwurf" bezeichnete der Universitätsprofessorenverband (UPV) den Entwurf. Seiner Ansicht nach sollten jedoch alle leitenden Posten mit den bestqualifizierten Personen, also mit Professoren besetzt werden. Der universitäre Mittelbau befürchtet unterdessen drastische Einschränkungen in seinen Befugnissen und dem Mitspracherecht. Derzeit ist etwa nicht vorgesehen, dass Dozenten als Institutsvorstände eingesetzt werden können. "Dieser Punkt wird gerade diskutiert", ließ Pressesprecher Zecha wissen. Die Rechte der Dozenten (wie etwa die Betreuung von Diplomarbeiten) seien nicht mehr im Gesetz, jedoch im Dienstrecht festgeschrieben.

Da Professoren in allen Gremien die Mehrheit innehaben sollen, fürchtet nicht nur der universitäre Mittelbau, sondern vor allem auch die StudentInnen um ihre Rechte. Dass hier eine Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Entwurf eintreten muss, wurde vom Ministerium schon angekündigt. Die ÖH sieht allerdings nicht nur im Mitspracherecht und der rechtlichen Sicherheit der Studierenden ein Problem.

Die vorgesehene Autonomie könnte zur Einführung von Knock-Out Prüfungen für bestimmte Lehrveranstaltungen und anderen Hürden während des Studiums führen, erklärte Anita Weinberger, Vorsitzende der Studentenvertretung. Weiters seien im Gesetzesentwurf nur mehr zwei Wiederholungsmöglichkeiten bei negativem Abschließen einer Prüfung vorgesehen. Die Zahl könne von jeder Universität selbst erhöht werden, so das Ministerium.

Die Forderung nach Rücknahme der Studiengebühren weist Gehrer zurück. Durch die Festschreibung der Höhe der Gebühr im neuen Universitätsgesetz werde es auch zu keiner Erhöhung kommen.

Für viele universitäre Organisationen steht mit einer Hochschulreform auch eine Reform des Bildungsministeriums an. Für die Organisation der neu gestalteten Bildungslandschaft müsse ein Fachgremium geschaffen werden. Vorgeschlagen wurde etwa ein Wissenschaftsrat. Höllinger kann sich auch einen solchen Rat als beratendes Gremium vorstellen. In jedem Fall werde es im Ministerium durch die Reform zu einem Personalabbau durch die Nichtnachbesetzung von Stellen kommen.

Ein Punkt des Reformvorschlages betrifft die Einführung eines sechs-gliedrigen Notensystems mit den Beurteilungsstufen von A bis F. Die internationale Vergleichbarkeit des Systems wird von Universitätsangehörigen bezweifelt.

Das Gesetz

Nach Plänen der Ministerin Gehrer soll das Gesetz nach der Vorlage an den Ministerrat am 21. Mai, etwa zwei Monate lang vom parlamentarischen Unterausschuss behandelt und bereits im Juli vom Nationalrat beschlossen werden. Schon im kommenden Wintersemester soll das Universitätsgesetz 2002 und somit die Universitätsautonomie in Kraft treten.

Kritik an diesem Fahrplan kommt aus den Universitäten und von den Grünen. Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald forderte mehr Zeit für die Diskussion der Reform.

Den Gesetzesentwurf sowie Stellungnahmen des Ministeriums können Sie unter http://www.weltklasse-uni.at nachlesen.

Stellungnahmen zum Entwurf des Universitätsgesetzes 2002 können Sie u.a. unter http://www.oeh.univie.ac.at und http://www.univie.ac.at nachlesen.