Innenministerium stößt wie in Schärding auf Widerstände. Traiskirchens Bürgermeister wirft ihm Unfähigkeit vor.
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Ein Ausblick auf den Acker, im Hintergrund das Fernheizkraftwerk, es ist nicht weit bis zur landwirtschaftlichen Fachschule. Geradezu idyllisch sieht es aus. Doch der Schein trügt. Denn die rund 14.000 Quadratmeter große Fläche im oberösterreichischen Schärding unweit der bayrischen Grenze sorgt seit einigen Tagen für Aufregung. Der Grund: eine geplante Flüchtlingsunterkunft.
In Schärding soll ein neues Containerdorf für Flüchtlinge entstehen. Bisher weiß davon aber scheinbar zumindest offiziell niemand etwas. In einem offenen Brief an Oberösterreichs Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) wird kritisiert, dass weder die betroffene Stadt Schärding noch die zuständige Bezirkshauptmannschaft vorab über das Vorhaben informiert worden seien. Der Brief wurde von drei Bürgermeistern unterzeichnet: Roland Wohlmuth aus Brunnenthal, Bernhard Brait aus St. Florian am Inn und Günter Streicher aus Schärding. Dass sich gleich drei Bürgermeister für die Angelegenheit zuständig fühlen, liegt daran, dass das Grundstück für die geplante Flüchtlingsunterkunft genau im Eckpunkt ihrer drei Gemeinden liegt.
Karners Ressorthält sich bedeckt
Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), die für die Versorgung und Beratung von Flüchtlingen zuständig ist, kann zu dieser Debatte keine genauen Angaben machen. Ein Sprecher bestätigt zwar gegenüber der "Wiener Zeitung", dass man dringend Quartiere brauche, für die Suche und alle Gespräche und Verhandlungen sei aber das Innenministerium zuständig. Erst wenn diese Phase vollständig abgeschlossen ist, übernimmt die BBU die Betreuung.
Dass es in der aktuellen Situation neue Quartiere brauche, sei den Bürgermeistern bewusst. Sie betonen aber, dass hier jeder seinen Beitrag leisten müsse. Die Stadt Schärding war laut eigenen Aussagen während der Flüchtlingskrise 2015 und auch danach stark belastet. Die Bürgermeister sind daher der Meinung, dass jetzt auch andere Gemeinden hier einen Beitrag leisten sollen. Schärding sei inzwischen an den Grenzen seiner Belastbarkeit.
Das Innenministerium gibt sich auf Anfrage bedeckt. In einer Stellungnahme aus dem Ministerium heißt es: "Zur Bewältigung des derzeitigen Asylzustroms ist es erforderlich, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen und die Bundesländer in ihren Bemühungen um diese zu unterstützen. In Oberösterreich sind solche im Einvernehmen mit den Land Oberösterreich in Planung, wobei von einer befristeten Nutzung der seitens des Landes vorgeschlagenen Liegenschaft auszugehen ist."
Bürgermeister Babler:"Habe ich noch nicht erlebt"
Die Pläne passen zu jener Abschreckungsstrategie, die Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nun eingeschlagen hat, damit möglichst wenige weitere Asylsuchende nach Österreich kommen. Containerdörfer gelten als weniger attraktiv als Quartiere in Wohngebieten. Damit wird das Signal ausgesandt, dass Österreich nicht (mehr) so einladend für Flüchtlinge ist. Gleichzeitig gibt es allerdings in der Bevölkerung in Österreich deutliche Vorbehalte gegen allzu große Containerdörfer und Massenquartiere.
Andreas Babler (SPÖ), Bürgermeister von Traiskirchen in Niederösterreich, wo sich das bundesweit bekannte Erstaufnahmezentrum in Ostösterreich für Flüchtlinge befindet, ist gleich aus zwei Gründen ungehalten. Einerseits sei Traiskirchen mit rund 1.700 Flüchtlingen wieder einmal "sehr voll". Andererseits sei das Innenministerium derzeit "technisch so schwach", weil früher teils deutlich mehr Menschen in Österreich in der Grundversorgung gewesen seien, ohne dass Traiskirchen derart überfüllt gewesen sei. Der Niederösterreicher Karner sei schon der siebente Innenminister während seiner Amtszeit als Bürgermeister, aber eine "technisch" so schlechte Bewältigung der Unterbringung und Versorgung der Asylwerber "habe ich noch nicht erlebt".
Der SPÖ-Politiker kommt daher zu dem Schluss: "Es ist eine politische Inszenierung auf Kosten Traiskirchens." Die ÖVP wolle das Thema Asyl besetzen, weil die Kanzlerpartei in Umfrage schlecht liege. Er sei für die gesamte Bevölkerung Traiskirchens verantwortlich. Daher wolle er, dass es im Erstaufnahmezentrum und in der Grundversorgung "menschenwürdige" Zustände gebe. Mit rund 1.700 Flüchtlingen sind jedoch gut dreimal so viele Menschen untergebracht wie vorgesehen. Denn Traiskirchen sei für 480 Leute ausgelegt. Vor allem prangert Babler an, dass darunter rund 400 unbegleitete Minderjährige seien, obwohl man schon seit 2014/15 vereinbart habe, Unbegleitete möglichst nicht in Traiskirchen einzuquartieren.
Babler hält auch die geplante Errichtung von Containerdörfern für keine gute Idee, weil damit neue Massenquartiere geschaffen würden. Viel besser wäre es seiner Ansicht nach ohnehin, noch leerstehende Bundesquartiere für die Unterbringung zu nützen.
Wie viele Plätze etwa das neue, umstrittene Containerdorf bei Schärding haben soll und ab wann es in Betrieb geht, lässt das Innenministerium auf Anfrage unbeantwortet. Im Brief wird von Kapazitäten für rund 100 Personen gesprochen. Allerdings betonen die Bürgermeister, dass sie nur von ungefähren Plänen erfahren haben, die geplante Anzahl an Plätzen erachte man aber als zu hoch. In der Bevölkerung gebe es laut dem Brief eine grundlegende Akzeptanz für Flüchtlinge, allerdings nur in kleineren Einheiten. Nur so könne eine entsprechende Integration gelingen.
Weit weg von Einkaufsmöglichkeiten
Ein weiterer Kritikpunkt ist das geplante Grundstück für das Containerdorf. Es sei weit weg von Einkaufsmöglichkeiten, dafür aber in direkter Nähe von Nachtlokalen, einem Kindergarten und einer Schule. Die Bürgermeister warnen hier vor einem "massiven Konfliktpotenzial". Außerdem befindet sich das Areal in einem Hochwasserabflussbereich. Zudem fürchte man Beschwerden jener Bürger, denen es nicht gestattet wurde, in diesen Gebieten zu bauen. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden zeigen sich offen für Verhandlungen. Bisher seien allerdings keine offiziellen Informationen oder Nachrichten bei ihnen eingegangen. Auf ein Gespräch mit den zuständigen Stellen warte man noch.
Von SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner kommt zwar grundsätzlich Unterstützung für den Plan, sich rechtzeitig auf mehr Flüchtlinge einzustellen, auch um eine Situation wie bei der Flüchtlingswelle 2015 zu vermeiden: "Man muss mit wachsamen Augen vorgehen." Es sei zu spät, erst dann mit der Suche nach Quartieren zu beginnen, wenn die Flüchtlinge bereits in Österreich seien. Zugleich stellt der SPÖ-Parlamentarier jedoch eines klar: Es müsse so vorbereitet werden, "dass die Verteilung sehr gleichmäßig auf alle Bundesländer erfolgt". Einwallner hat daher auch volles Verständnis dafür, dass sein SPÖ-Parteikollege Babler in Traiskirchen, sich jetzt verstärkt zu Wort meldet und auf die Situation aufmerksam macht, "nicht erst dann, wenn Traiskirchen aus allen Nähten platzt".