Eine "Nato 3.0" schwebt Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vor, ganz im Jargon der Software-Entwickler. Und im Cyber- | Space hat er auch eine neue Bedrohung entdeckt, gegen die das transatlantische Bündnis helfen soll. Wie diese Hilfe konkret ausschauen soll, bleibt zunächst allerdings rätselhaft. Will man militärisch gegen Würmer vorgehen, die Computernetzwerke empfindlich stören können? Schon die Urheber der sogenannten Cyber-Attacken dürften nur schwer zweifelsfrei festzustellen sein.
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Ein Bündnisfall soll ein solcher Angriff jedenfalls nicht werden, meint Deutschland. Andere Mitgliedsländer beharren dagegen auf der Beistandspflicht, sollte ein Bündnispartner mit Computerviren angegriffen werden.
Viel Diskussionsstoff also für den Nato-Gipfel in fünf Wochen - auch der Raketenschild ist nicht unumstritten. Frankreichs Verteidigungsminister Hervé Morin verglich das Vorhaben gar mit der Maginot-Linie, jenem aufwendigen Verteidigungswall Frankreichs, der gegen Adolf Hitlers Angriff im Zweiten Weltkrieg völlig wirkungslos blieb. Auch Experten bezweifeln den Nutzen des Vorhabens, verfügen doch die Pakt-Staaten über genügend Atomwaffen, um die stets in den Raum gestellten Angriffe aus dem Iran oder Nordkorea nuklear beantworten zu können. Auf das Prinzip der Abschreckung hat man sich schließlich schon im Kalten Krieg verlassen.
Die Deutschen glauben indessen, der Raketenschild würde gerade der nuklearen Abrüstung einen Schub verleihen. Die Franzosen, die von ihren Atomwaffen nicht lassen wollen, sehen das ganz anders. Sie betrachten auch die Kostenfrage als ungeklärt - zu Recht, denn Rasmussen nennt als Betrag für den Schild lediglich 200 Millionen Euro. Schon die 18 Eurofighter, die Österreich ursprünglich kaufen wollte, hätten fast zwei Milliarden gekostet. Offenbar sind etliche Milliarden für den Ankauf der Raketen durch die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht einberechnet. Dennoch wollen die Franzosen kein Veto gegen den Raketenschild einlegen, hieß es.
Dieser bietet Konfliktstoff noch auf anderer Ebene. Teile des Schilds will die Nato nämlich in der Türkei aufbauen. Ankara aber möchte die Stationierung von Raketenabwehrraketen auf seinem Territorium tunlichst vermeiden, würden damit doch die Beziehungen zum Iran und zu Syrien belastet, die sich erst jüngst verbessert haben.
Eine neue Strategie sei notwendig, betont Rasmussen immer wieder. Da hat er wohl recht, denn nicht zuletzt Afghanistan hat gezeigt, dass die alte nicht funktioniert. Der dortige Konflikt ist militärisch unlösbar, und über Finanzfachleute oder Verwaltungs- und Justizbeamte, die den zivilen Aufbau unterstützen könnten, verfügt die Nato nicht. Indessen wird man den Eindruck nicht los, dass die neuen Konzepte nur krampfhafte Versuche darstellen, die eigene Existenz zu rechtfertigen. Ihr Ziel einer Friedenssicherung schafft die Nato nämlich lediglich in den eigenen Reihen. Immerhin bekriegen ihre Mitglieder Türkei und Griechenland einander nicht mehr.