Ex-Außenminister der Taliban, Mutawakkil, als mögliche Kontaktperson. | Bemühungen bisher nicht sehr vielversprechend. | Neu Delhi. In einer ruhigen, holprigen Straße im Süden Kabuls lebt ein Mann, der im Moment viele ausländische Gäste empfängt, die auf Diskretion bedacht sind: Mullah Wakil Ahmed Mutawakkil ist der frühere Außenminister des 2001 gestürzten Taliban-Regimes und war früher einmal einer der engsten Vertrauten von Mullah Omar, dem berüchtigten, einäugigen Taliban-Führer und früheren Machthaber Afghanistans. Der 38-jährige Ex-Minister trifft in seiner Villa fremde Emissäre, die nach einem Ausweg aus dem Afghanistan-Schlamassel suchen und die glauben, dass das ohne Verhandlungen nicht mehr zu schaffen ist.
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Besonders, nachdem die USA erklärt haben, in 18 Monaten wollten sie mit dem Abzug ihrer Truppen am Hindukusch beginnen.
Mutawakkil gilt als intelligent und besonnen, er fällt damit in die fragwürdige Kategorie "gemäßigter Taliban", auch wenn keiner so recht weiß, ob eine solche Einteilung Sinn macht. Mit solchen Taliban, so hat der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angeregt, könne nun auch Deutschland verhandeln. Doch die USA und andere sind schon seit zwei Jahren dabei.
Mutawakkil selbst warnt, dass Verhandlungen nicht einfach sein werden. Im Gegensatz zu dem öffentlichkeitsscheuen Mullah Omar, der schon während des Taliban-Regimes lieber zurückgezogen in seinem Haus in Kandahar lebte, hat der Ex-Minister Erfahrungen im Umgang mit fremden Reportern und gibt Interviews: "Ich bin kein Optimist, aber reden könnte besser sein als Krieg führen", sagte er vor kurzem einer britischen Zeitung.
Taliban suchen keine Kompromisse
Mutawakkil war auch mit von der Partie, als einige Taliban-Führer 2008 auf Vermittlung Saudi-Arabiens begannen, Verhandlungen mit den USA über einen möglichen Friedensschluss zu führen. Der frühere Minister unterhält immer noch gute Kontakte mit vielen Kämpfern und Weggefährten von damals. Allerdings sind die Bemühungen bislang nicht besonders vielversprechend: Die afghanischen Taliban sehen sich auf dem Siegeskurs und sind daher nicht gerade offen für Gespräche und noch weniger für Kompromisse. Und die USA brauchen zumindest eine klare Zusage, dass die Taliban, wenn sie wieder in das politische Machtgefüge Afghanistans eingebunden sind, nicht wieder - wie in den 90er Jahren - das Terrornetzwerk Al Kaida beherbergen. Doch wie so eine Abmachung erkauft werden soll, ist noch völlig offen.
Für Deutschland sind das aber bestimmt nicht die wirklichen Sorgen. Der Vorstoß des Verteidigungsministers, man solle mit den Taliban verhandeln, soll vermutlich eher von der unrühmlichen Kunduz-Affäre ablenken. Bei einem von den Deutschen bestellten Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperten Tanklastern kamen Anfang September in Afghanistan etliche Zivilisten ums Leben. Seither ist die Diskussion über Sinn und Zweck des deutschen Afghanistan-Einsatzes voll entbrannt. Der Afghanistan-Krieg ist in ganz Europa inzwischen unpopulär. Doch die meisten Länder haben schon eine Aufstockung ihrer Truppenzahl vor Ort erklärt, nachdem US-Präsident Barack Obama 30.000 neue Soldaten für Afghanistan vorgesehen hat. Lediglich Frankreich und Deutschland haben sich noch nicht zu ihrem geplanten Kontingent geäußert. Beide Staaten befürchten offensichtlich innenpolitischen Ärger und wollen daher noch ein wenig abwarten, bevor sie konkrete Zahlen nennen. Solche Vorschläge, wie mit den "moderaten" Taliban zu verhandeln, lenken derweil von der Wirklichkeit in Afghanistan ab.