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Neun Angeklagte, 50 geladene Zeugen. | Bei Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Haft. | Wien. Läuft alles nach den Plänen von Richterin Claudia Bandion-Ortner, ist die Sache am 31. Oktober ausgestanden. Damit fände der größte Fall von Wirtschaftskriminalität in der Geschichte Österreichs knapp zwei Jahre, nachdem er ruchbar wurde, ein vorläufiges Ende. Allerdings ist höchst ungewiss, ob der Bawag-Prozess, der am Montag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts beginnt, tatsächlich termingerecht beendet werden kann.
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Neben der umfangreichen Materie - alleine die relevanten Akten umfassen Zehntausende Seiten - und den 50 geladenen Zeugen, die ab 6. September gehört werden, ist es vor allem die angeschlagene Gesundheit des Hauptangeklagten Helmut Elsner, die für Verzögerungen sorgen könnte (siehe Artikel Seite 4). Der ehemalige Bawag-Generaldirektor könnte bereits am Mittwoch zu Wort kommen. Er wird in jedem Fall als Erster befragt werden.
Im Verfahren um die Beinahe-Pleite der ehemaligen Gewerkschaftsbank sitzen zunächst einmal neun Personen - für die alle die Unschuldsvermutung gilt - auf der Anklagebank: Neben Elsner auch sein Nachfolger Johann Zwettler, der frühere Aufsichtsratspräsident der Bank und ÖGB-Vizepräsident Günter Weninger, der Investmentbanker Wolfgang Flöttl, die einstigen Bawag-Vorstände Peter Nakowitz, Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker sowie Robert Reiter, ehemaliger Bawag-Bankprüfer von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.
Bilanzfälschung, Untreue und Betrug
In ihrer über 100 Seiten starken Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten Untreue (Paragraph 153 Strafgesetzbuch) und Bilanzfälschung (Paragraph 255 Aktiengesetz) vor. Die von den Beschuldigten wegen Untreue zu verantwortenden Schadensbeträge sind abgestuft: Elsner und Nakowitz wird ein Schaden von 1,442 Milliarden Euro - also der volle Schadensumfang - vorgeworfen. Zwettler soll 1,352 Milliarden Euro Schaden verursacht haben. Auf die Kappe von Weninger und Reiter sollen je 505 Millio nen Euro gehen, auf Kreuch entfallen 424 Millionen Euro, auf Schwarzecker 365 Millionen und auf Büttner 332. Für Flöttl, der nur der Beitragstäterschaft zur Untreue bezichtigt wird, nennt die Anklage einen Schaden von 69 Millionen Euro, zuzüglich eines "im Detail noch festzustellenden Betrags" von mehreren hundert Millionen Euro durch "hochriskante Veranlagungen" im Herbst 2000.
Elsner ist zusätzlich des schweren Betrugs angeklagt. Er soll sich im Jahr 2000 unter bewusster Täuschung über die finanzielle Lage der Bank Bilanzgeld (eine Art Provision) über 581.000 Euro sowie eine Pensionsabfindung in der Höhe von 6,8 Millionen Euro auszahlen lassen haben. In der Anklageschrift heißt es dazu: "Eine derartige Unverfrorenheit, wie sie Elsner an den Tag legte, ist auch bei versierten Wirtschaftstätern nicht oft zu beobachten." Im Falle von Schuldsprüchen drohen den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft.
Zu den neun Angeklagten wird sich im Laufe des Prozesses mit Hermann Gerharter wahrscheinlich noch ein zehnter hinzugesellen. Der Ex-Konsum-Chef hatte 2002 bei seiner Hausbank Bawag um ein Darlehen zur Begleichung offener Gerichtsrechnungen angesucht, woraufhin Elsner ihm das benötigte Geld in bar - angeblich in einem Plastiksackerl - überreicht haben soll. Den Kredit soll Elsner schließlich als uneinbringlich abgebucht haben. Gerharter hat das Geld in der Zwischenzeit zurückbezahlt. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft gegen ihn, Elsner und Nakowitz Anklage wegen Untreue erhoben. Der Fall soll zur Vermeidung von Verzögerungen erst später behandelt werden.
Trotz der exzessiven Tätigkeit des Untersuchungsausschusses sind viele Fragen unbeantwortet. So wird etwa Flöttl erklären müssen, wie er als erfahrener Investmentbanker jahrlang jeden ihm anvertrauten Groschen verspekulieren konnte. Dann stellt sich die Frage, wer wann von den Verlusten erfahren hatte. Die diesbezüglichen Aussagen vor dem U-Ausschuss waren höchst unterschiedlich. Der wohl größte Packen wird jedoch sein, das unüberschaubare Gewirr von Briefkastenfirmen, zu entschlüsseln. Auch die Zahlung von einer Million Schilling von Flöttl an Ex-Kanzler Franz Vranitzky 1999 gibt Rätsel auf.
Wissen: Vergehen und Strafen
Den Angeklagten im großen Bawag-Prozess werden Untreue und Bilanzfälschung vorgeworfen.
Für Untreue , also den Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, sieht das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen von bis zu 360 Tagessätzen vor. Liegt der Schaden - wie im Fall der Bawag - bei über 50.000 Euro, "ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen" (Paragraph 153 des Strafgesetzbuches).
Wer sich als Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder als Kontrollorgan eines Unternehmens der Bilanzfälschung , also der falschen Darstellung der Bilanz oder der Finanzsituation des Unternehmens, schuldig macht, wird mit einer Geldbuße über 360 Tagessätzen oder einem Jahr Haft bestraft. Dies trifft auch den, der zu den Umständen geschwiegen hat (Paragraph 255 des Aktiengesetzes).
Helmut Elsner ist - im Gegensatz zu den übrigen Angeklagten - auch des Betrugs verdächtig. Hier sieht das Strafgesetzbuch - gleich wie beim Delikt der Untreue - Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen von bis zu 360 Tagessätzen vor, bei einem Schaden ab 50.000 Euro bis zu zehn Jahre Haft (Paragraphen 146 und 147 des Strafgesetzbuches).
Wolfgang Flöttl ist - obwohl eine der Hauptfiguren des Verfahrens - nur der Beitragstäterschaft zur Untreue angeklagt.
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