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Suche nach passendem Hafen

Von Michael Schmölzer

Politik

Viele nationale Parteien haben noch nicht entschieden, welcher EU-Fraktion sie sich anschließen.


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Brüssel/Straßburg. Eines steht schon vor den Wahlen fest: Das neue EU-Parlament wird polarisierter sein als das bisherige, mehr Mandatare sind der extrem rechten oder radikal linken Seite des politischen Spektrums zurechenbar. Bestimmend bleibt freilich die Mitte. Die konservative EVP-Fraktion führt in den Umfragen, gefolgt von den Sozialdemokraten S&D. Abseits davon sind die einzelnen europäischen Parteienfamilien einem ständigen Wandel und Umgruppierungen unterworfen. Und bei einigen nationalen Parteien ist immer noch nicht klar, welcher Fraktion sie sich anschließen werden.

Sicher ist, dass die rechtspopulistische "Europäische Allianz für Freiheit" drauf und dran ist, ins EU-Parlament einzuziehen. In den Reihen dieser Phalanx finden sich die französische Front National (FN), die Lega Nord aus Italien, die FPÖ und die PVV des niederländischen Populisten Geert Wilders. Letzterer hat zwar weit schlechter abgeschnitten als erwartet, die FN in Frankreich könnte die Schlappe aber mehr als wettmachen. Die Partei von Marine Le Pen liegt in den Umfragen auf Platz eins.

25 Mandatare aus 7 Ländern müssen sich zusammenfinden, um im EU-Parlament eine Fraktion zu bilden - im Fall des neuen Rechtsblocks dürfte das kein Problem sein. Die historische Erfahrung lehrt allerdings, dass Rechtsaußen-Bündnissen in der EU kein sehr langes Leben beschieden ist.

Protestbewegungen sind schwer zurechenbar

Einige erfolgreiche europäische Protestbewegungen haben den sicheren Hafen einer EU-Parteienfamilie noch nicht gefunden. So etwa die tschechische ANO des Milliardärs Andrej Babi. Die Partei des Selfmade-Mannes führt in den Umfragen und wird wohl den europafreundlichen Liberalen beitreten. Auch die spanische Unión Progreso y Democracia, so die Prognosen, passt besser in die Reihen der Liberalen als in jene der Parteifreien.

Interessant ist, wer die Kräfte verstärken wird, die im EU-Parlament sitzen, um das europäische Projekt abzuschaffen. Hier ist die Fraktion "Europa der Freiheit und der Demokratie" (EFD) zu nennen, an deren Spitze der britische EU-Kritiker Nigel Farage von der Ukip steht. Er will den Austritt Großbritanniens aus der EU, seine Partei hat bei der Europawahl vermutlich deutlich dazugewonnen.

Der "Movimento 5 Stelle" (M5S) des italienischen Komikers Beppe Grillo könnte sich entweder Farage, der Fraktion der Europäischen Linkspartei (GUE/NGL) oder den Grünen anschließen. Es ist aber höchst zweifelhaft, ob die Grünen die Grillo-Mandatare in ihren Reihen willkommen heißen würden. Der kaum berechenbare M5S wäre dann die stärkste Kraft innerhalb der Öko-Fraktion und würde die deutschen Grünen auf Platz zwei verbannen. Grillo selbst ist vor der EU-Wahl jedenfalls gewohnt siegesgewiss: "Wir werden einen lawinenartigen Erfolg feiern", kündigt er an. Am Freitag versammelte er zu später Stunde seine Fans auf der zentralen Piazza San Giovanni in Rom.

Eine weitere EU-Kraft, die nicht unbedingt eine Ausweitung des europäischen Projekts im Sinn hat, sind die "Europäischen Konservativen und Reformisten". Sie umfassen die "Eurosceptics" der britischen Conservative Party, die tschechische ODS, die polnische PiS - und sie werden Zuwachs bekommen. Die Neu-Flämische Allianz, die die Unabhängigkeit Flanderns anstrebt, könnte bald hier heimisch sein, ebenso die dänische DFP und die auch "Perussuomalaiset" genannten "Basis-Finnen". Letztere verstehen sich als EU-skeptische patriotische Kraft gegen das "Establishment"; bei den letzten Wahlen 2011 wurden sie drittstärkste Kraft.

Die deutschen Piraten wiederum könnten sich laut Prognose des Internet-Portals "PollWatch 2014" der GUE/NGL anschließen. Die liberale Alde-Fraktion, die zuletzt in Wien feierlich die pinken Neos aufgenommen hat, könnte rein theoretisch Verstärkung durch die deutschen "Freien Wähler" und die griechische Liberalen-Partei "To Potami" erhalten.

Iren und Tschechen warenals nächste dran

Beim Urnengang waren nach den Briten und Niederländern am Freitag die Iren und Tschechen dran (Letztere wählen auch noch am Samstagvormittag). Durch die Verkleinerung des EU-Parlaments von 766 auf 751 Abgeordnete steht beiden Ländern nun je ein Abgeordneter weniger zu. In Irland wird ein starkes Abschneiden der linksgerichteten Sinn Fein des Ex-IRA-Mannes Gerry Adams erwartet. Die tschechischen Wahlergebnisse soll es erst am Sonntag geben.