Studiengebühren und höhere Steuern für Reiche zeichnen sich ab.
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Wien. Die Bundesregierung unternimmt einen zweiten Anlauf, um die Opposition doch noch von der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung zu überzeugen. Mit im Verhandlungsgepäck haben Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger den Grundsatzbeschluss vom EU-Gipfel am Wochenende: Demnach soll die Schuldenbremse bei 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festgezurrt werden. Erst vergangene Woche wurde im Nationalrat einfachgesetzlich - nur mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP - eine Schuldenbremse nur für den Bund von 0,35 Prozent beschlossen. Jetzt strebt die Regierung ein Verfassungsgesetz an, das das konjunkturbereinigte Defizit von Bund, Ländern und Gemeinden ab 2017 mit maximal 0,45 Prozent festlegt, und hat damit ein ambitionierteres Ziel als die EU.
Am Dienstag werden die Spitzen der Grünen und des BZÖ, Eva Glawischnig und Josef Bucher, im Bundeskanzleramt erwartet, um doch noch eine Verfassungsmehrheit für die Schuldenbremse zu erreichen. Denn bereits am Mittwoch soll im Nationalrat bei einer Sondersitzung der Beschluss dafür fallen. Nicht eingeladen zu dem Gespräch ist FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Dessen Bedingungen seien "in keinster Weise erfüllbar", hieß es aus der SPÖ. Die FPÖ fordert unter anderem einen Ausstieg Österreichs aus dem Euro-Rettungsschirm. Spindelegger will mit Strache noch einmal gesondert reden.
Die Hoffnungen der Koalition ruhen zu einem Gutteil auf den Grünen. Zwar hat der Grüne Peter Pilz am Montag einen Kompromiss angedeutet - es solle "ohne Scheuklappen" verhandelt werden, er selbst sei für die Zustimmung -, aber eindeutig festgelegt haben sich die Grünen noch nicht. Sie fordern ja als Ausgleich für ihre Zustimmung die Einführung von Vermögenssteuern. Das BZÖ will weiterhin an seinen Bedingungen festhalten: Sanktionen bei Nichteinhaltung und ein Abgabenlimit, sprich das Festfrieren der Steuerquote bei den nunmehrigen 42 Prozent.
Bremse in der Verfassung
Warum die Schuldenbremse in der Verfassung verankert werden sollte, erläuterte Hans Pitlik, Budgetexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Eine verfassungsrechtliche Verankerung wäre ein viel stärkeres Signal an die Finanzmärkte als ein einfachgesetzlicher Beschluss. "Eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse ist überprüfbar, Fehlverhalten dagegen wird öffentlich abgemahnt und man kann sie nicht durch ein einfaches Budgetüberschreitungsgesetz aushebeln", sagt Pitlik. Dagegen sei eine einfachgesetzliche Regelung nichts als eine politische Willenserklärung. Und der Ökonom fügt hinzu: Erklärungen des Sparwillens hat es in Österreich schon viele gegeben.
Es braucht bis 2,2 Milliarden
Der Plan der Bundesregierung sieht ab 2017 ein Defizit von 0,35 Prozent des BIP für den Bund und 0,1 Prozent Defizit für die Länder vor. Die Schuldenbremse soll bis 2016 - solange das Defizit über drei Prozent liegt - das strukturelle Defizit verbessern. Das bedeutet für Österreich, dass schon im kommenden Jahr 2 bis 2,2 Milliarden Euro eingespart werden müssen, sagt Pitlik.
In der Regierung selbst streitet man noch über das Volumen, das notwendig ist, um schon im Jahr 2012, für das das Budget ja bereits beschlossen ist, unter drei Prozent zu kommen. Die SPÖ geht von 1,5 bis 2 Milliarden Euro aus, die ÖVP von 2 bis 2,5 Milliarden. Ab 2013 müssen laut Finanzministerin Maria Fekter bis zu drei Milliarden jährlich eingespart werden.
Schon im Jänner und Februar wollen die Regierungspartner festlegen, wie diese fehlenden Milliarden hereingebracht werden können. Bundeskanzler Faymann hat der ÖVP unterdessen zugesagt, dass der Großteil über Einsparungen aufgebracht werden soll.
Wirtschaftsforscher Pitlik hält die Schuldenbremse auch deshalb für wichtig, weil es ein sehr starkes Commitment sei, über Steuererhöhungen erst dann nachzudenken, wenn über die Ausgabenseite nichts mehr gehe. "Österreich ist ein Hochsteuerland, da ist nicht mehr viel drinnen", sagte der Ökonom. Aber es werde keiner so naiv sein, zu behaupten, dass alles über Ausgabenkürzungen aufgebracht werden könne. Schließlich sei das Budget 2012 beschlossen. "Wo soll da viel zu holen sein?" Daher glaubt auch er, dass man am Ende um Steuererhöhungen nicht herumkommen werde. Aber im Gegenzug zu sinnvollen Umweltsteuern oder vermögensbezogenen Steuern müsste dann die Steuerbelastung auf den Faktor Arbeit gesenkt werden.
Strukturelle Reformen nötig
Pitlik drängt auf strukturelle Reformen vor allem im Gesundheits- und Pensionsbereich. Aber auch in der öffentlichen Verwaltung. Trotz der Ankündigung des Bundes, dass in der öffentlichen Verwaltung nur noch jede zweite frei werdende Stelle nachbesetzt werde, würden die Zahlen seit 2004 darauf hindeuten, dass der Personalstand im Staatssektor ständig ansteige. Allerdings seien da auch Sozialversicherung und Länder mitberücksichtigt. Die Zahlen seien so uneindeutig und ließen nicht zu, festzustellen, wo genau die Personalzuwächse herkämen. Die Regierung sollte hier den Ankündigungen Taten folgen lassen. "Denn trotz vieler Ankündigungen ist in diesem Bereich nichts passiert."
Dasselbe gelte auch für die 599 Maßnahmen, die der Rechnungshof jetzt wieder auf den Tisch gelegt hat. Einige davon, so Pitlik, seien bis zu sechs Jahre alt. Er wundere sich daher schon, wenn die Regierung dazu sage, sie müsse sich das erst anschauen und darüber nachdenken. Auch den nunmehrigen Gehaltsabschluss der Beamten bezeichnet Pitlik als zu hoch - vor allem, wenn man die zweijährigen Gehaltssprünge mitberücksichtige.
Förderungen kürzen
Der Wifo-Budgetexperte geht davon aus, dass kurzfristig auf der Ausgabenseite nicht sehr viele Möglichkeiten bestehen, außer bei den Förderungen und den Ermessensausgaben der Ressorts. Rund 18 Milliarden Euro macht die Summe der Förderungen in Österreich aus. Darin schlägt sich der Verkehr inklusive ÖBB mit 4 Milliarden Euro zu Buche, etwa 6 Milliarden Förderungen fließen in das Gesundheitssystem. Wenn man von den verbleibenden rund 8,5 Milliarden noch jene für Forschung und Entwicklung abzieht, bleiben etwa 6 bis 7 Milliarden Euro. Wenn man diese quer durch um fünf bis zehn Prozent kürze, spare man 400 bis 700 Millionen Euro.
Studiengebühren einführen
Die neu aufgeflammte Debatte um die Studiengebühren hält Pitlik dagegen für die Budgetkonsolidierung nicht besonders wirksam, sehr wohl aber für die Verbesserung der finanziellen Situation der Universitäten. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ist wie mehrheitlich die ÖVP dafür, Studiengebühren wieder einzuführen. In der SPÖ ist die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller treibende Kraft für Studiengebühren. Sie will den SPÖ-Parteitagsbeschluss gegen Studiengebühren kommendes Jahr zu Fall bringen. Burgstaller äußerte die Meinung, dass in der SPÖ eine schweigende Mehrheit für die Einführung von Studiengebühren sei. Mehrere Landesparteien, darunter die Kärntner SPÖ, sind für eine Abgeltung im Nachhinein. Gut verdienende Akademiker könnten, wenn ihr Einkommen einen bestimmten Betrag - Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser nannte als Grenze 3200 Euro - überschreitet, monatlich 20 Euro zurückzahlen. Laut Schätzungen der Kärntner SPÖ könnte das 108 Millionen Euro bringen. Auch der niederösterreichische SPÖ-Chef Sepp Leitner forderte einen Beitrag von Absolventen und Studienabbrechern.
Steiermarks Landeshauptmann Franz Voves kann sich ein Tauschgeschäft Studiengebühren gegen Gesamtschule vorstellen. Nicht einmal Bundeskanzler Faymann legt sich noch auf ein Nein zu Studiengebühren fest. Das sei ein kleiner Mosaikstein, über den man nicht dauernd streiten soll, meinte er am Wochenende.
Töchterle kann einem Kreditmodell durchaus etwas abgewinnen. Er will mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied die weitere Vorgangsweise in dieser Frage ausloten.
Studiengebühren finden in der Bevölkerung offensichtlich eindeutig Zustimmung: In einer aktuellen Befragung des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT) sprechen sich - eine soziale Staffelung vorausgesetzt - 48 Prozent für Studiengebühren aus, 29 Prozent sind in jedem Fall für Studiengebühren.
Weniger Regierungsinserate
Einen Sparposten hat der Kanzler unterdessen gefunden. Er will "weniger Geld ausgeben mit den Inseraten", wie er in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag betonte.
Die Ausgaben der Regierung für Öffentlichkeitsarbeit haben sich nach Angaben der Grünen innerhalb von zehn Jahren mehr als vervierfacht. Das geht aus diesbezüglichen parlamentarischen Anfragebeantwortungen hervor. Laut dem grünen Abgeordneten Karl Öllinger hat man dabei im Jahr 2010 einen Spitzenwert von rund 42,3 Millionen Euro erreicht, was allein einer Steigerung zu 2009 um mehr als 40 Prozent entspreche. Er qualifiziert dies als "pure Verschwendung".
Abgefragt wurden in den Anfragen an die einzelnen Ministerien die Ausgaben für Inserate, aber auch für Medienkooperationen und Broschüren inklusive Steuern und Abgaben. Die mit Abstand höchsten Ausgaben hatte laut Öllinger im vergangenen Jahr das Finanzministerium mit rund 6,7 Millionen Euro zu verbuchen. Erst dahinter komme das Bundeskanzleramt mit rund 5,4 Millionen Euro. Im Jahr davor hatte die Regierung laut Öllingers Aufstellung rund 29,4 Millionen Euro für Eigenwerbung ausgegeben, im Jahr 2000 - unter der schwarz-blauen Koalition - waren es lediglich 9,1 Millionen Euro gewesen.