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Südafrika: Angst vor Unruhen

Von WZ Online

Politik

Präsident Zuma rief zu Besonnenheit auf. | Ventersdorp. Zehn Wochen vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hat die Ermordung eines bekannten Rechtsextremisten Angst vor Rassenunruhen ausgelöst. Eugene Terreblanche, der Anführer einer Bewegung für die Schaffung eines eigenen Staates für die weiße Minderheit in Südafrika, wurde am Samstag erschlagen in seinem Bett gefunden. | Südafrika-Dossier


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Ein ranghohes Mitglied seiner Organisation bezeichnete das Verbrechen am Sonntag als "Kriegserklärung" der Schwarzen an die Weißen. Rund zwei Monate vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika dürfte der Vorfall die Sicherheitsbedenken im Ausland wegen der ohnehin hohen Kriminalität weiter nähren.

Präsident Jacob Zuma rief seine Landsleute am Sonntag zur Besonnenheit auf. Die Bevölkerung dürfte es nicht zulassen, dass Provokateure diese "schreckliche Tat" ausnützten, um Rassenhass zu schüren. Allerdings ging die Polizei nicht von einem politischen Tatmotiv aus.

Nach Angaben von Polizeiminister Nathi Mthetwa war nicht Rassenhass, sondern ein Streit über Löhne der Anlass der Tat. Zwei schwarze Arbeiter hätten den 69-jährigen Terreblanche mit einer Machete und einem Knüppel auf dessen Farm in Ventersdorp 110 Kilometer nordwestlich von Johannesburg umgebracht.

Terreblanches Organisation Afrikaner Weerstandsbeweging (AWB) warf der Jugendorganisation des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) umgehend vor, die Spannungen mit einem Lied geschürt zu haben, das zur Gewalt gegen Weiße aufruft. Andre Visagie, ein Führungsmitglied der AWB, sprach von einer "Kriegserklärung der schwarzen Gemeinschaft an die weiße Gemeinschaft". Er kündigte an, der Tod des 69-Jährigen, dessen Gesicht bei seiner Ermordung bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden sei, werde gerächt. Die AWB erklärte, Terreblanche sei im Schlaf erschlagen worden. Visagie rief die für die WM qualifizierten Fußballnationalmannschaften auf, aus Sicherheitsgründen im Juni nicht nach Südafrika zu kommen.

Der Vorsitzende der Jugendliga des ANC, Julius Malema, hatte im März bei einer Studentenversammlung ein Lied angestimmt, das zur Tötung von Buren aufruft. Die Buren sind die Nachkommen der ersten niederländischen Siedler in Südafrika. Ein Gericht hatte damals Malemas umstrittenen Auftritt vor Studenten als Hassrede und Verstoß gegen die Verfassung beurteilt. Der als Widerstandsbewegung gegen die Apartheid gegründete ANC betrachtet das Kampflied aber als Teil seiner Geschichte und hat Berufung gegen ein gerichtliches Verbot des Songtextes eingelegt. Der Text sei nicht wörtlich zu nehmen, argumentierte die Regierungspartei.

Die größte Oppositionspartei Demokratische Allianz, in deren Führung hauptsächlich weiße Südafrikaner sitzen, zog ebenfalls eine Verbindung zwischen dem Mord und dem Streit über das Lied. Die Tat sei in einer Provinz geschehen, in der die Spannungen zwischen Schwarz und Weiß in der ländlichen Bevölkerung durch die unverantwortlichen Äußerungen des Chefs der ANC-Jugendorganisation angeheizt worden seien, sagte eine Sprecherin. Der ANC wies die Vorwürfe zurück. Es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass der Mord mit dem Lied in Zusammenhang stehe. Vor allem bei weißen Bauern hatte das Lied dennoch Besorgnis ausgelöst. Seit dem Ende der Apartheid wurden etwa 3.000 von ihnen getötet.

Terreblanche, der eigentlich französische Vorfahren hat, hatte sich stets als Bure bezeichnet. Der Ex-Polizist hatte die Partei 1972 mitgegründet, deren Flagge sich an das Hakenkreuz der deutschen Nationalsozialisten anlehnt. Das Ende der Apartheid 1994 hatte er massiv bekämpft. 1998 hatte er vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission die politische und moralische Verantwortung für eine Bombenserie zur Störung der Wahlen übernommen, bei der 21 Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden. Später verbüßte Terreblanche eine Haftstrafe, weil er einen Schwarzen fast zu Tode geprügelt hatte. Nach seiner Entlassung lebte er weitgehend zurückgezogen. Seine Partei spielte in den vergangenen Jahren nur noch eine untergeordnete Rolle.

Experten gehen indes davon aus, dass sein Tod keine größeren Auswirkungen haben werde. "Er war zuletzt zunehmend an den Rand gedrängt", sagte Lawrence Schlemmer vom Institut für Rassenbeziehungen. "Sein Tod ist mehr als alles andere eine persönliche Tragödie."