Zum Hauptinhalt springen

Sudan hat offenbar genug von der UNO

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Kampf um Wasser und Gold prägt Krisenregion Darfur. Auch nach 15 Jahren Bürgerkrieg ist keine Lösung in Sicht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Khartum/Al Fascher. "George Clooney ist schuld." Der US-Schauspieler habe den Zerfall Sudans zu verantworten. Sein Engagement im Südsudan und in Darfur habe die Konflikte verschärft. Die Abspaltung des Südsudans, der nun ein unabhängiger Staat ist, sei die Folge gewesen. Dass sich Darfur auch noch loslöst, müsse unbedingt verhindert werden. So sieht es die Regierung des Sudans und so stand es kürzlich in der englischsprachigen Zeitung "Sudan Vision", hinter der der Geheimdienst steht.

Viele in den westlichen Ländern kennen Darfur nur durch das Engagement George Clooneys. Er sammelte Geld für Flüchtlinge, deckte Menschenrechtsverletzungen auf, forderte USA und UNO auf, einzugreifen. Selbst als das internationale Interesse sich vom Sudan abwandte, hielt er an seinem Engagement fest. 2012 wurde er bei einem Protest vor der sudanesischen Botschaft in Washington verhaftet. Die Bilder mit Clooney in Handschellen gingen um die Welt. Es handle sich um den ersten Genozid des 21. Jahrhunderts, sagte Clooney bei seiner Verhaftung. Zweifelsohne zählt der Konflikt in Darfur zu den größten humanitären Krisen weltweit.

Am Check-in nach Al Fascher ist Hauptmann Franke nicht zu übersehen. Groß, schlank, sportlich, blondes Stoppelhaar, ist der Mann aus Hamburg auf dem Flug zurück nach Darfur, in die Krisenregion, die Omar al-Bashir, dem Präsidenten Sudans, einen Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen einbrachte. Franke schiebt Blauhelmdienst in Darfur, für die nach Kongo zweitgrößte UN-Mission der Welt. Noch zehn deutsche Soldaten sind vor Ort. "Wir sind die letzten Europäer in Darfur", berichtet der Hauptmann, "alle anderen sind schon abgezogen." Auch die UNO selbst hat damit begonnen, von den 15.000 Blauhelmen, die in Darfur stationiert sind, einige aus den "stabilen" Gebieten abzuziehen. Eine vollständige Abzugsstrategie wird derzeit diskutiert. Die Regierung in Khartum halte Darfur fest im Griff, hat Franke erfahren, und wolle die UNO loswerden.

Ein Krieg mit unübersichtlichen Fronten

Noch immer wird im Westen Darfurs, an der Grenze zum Tschad, gekämpft. Es gibt keine einheitlichen Fronten. Auf der einen Seite stehen die sudanesische Armee und deren mit Söldnern angeheuerte Milizen, auf der anderen zwei große Rebellenorganisationen, aber auch viele kleine. Eine Einigung zwischen Rebellen und Regierung ist auch heute, 15 Jahre nach Ausbruch des Bürgerkrieges nicht in Sicht, obwohl Präsident Bashir jetzt verstärkt zur Versöhnung aufruft und einen Dialog der verfeindeten Parteien in Gang setzen will.

Doch das Misstrauen gegenüber Bashir ist groß. Auch wenn die Angaben des Haager Strafgerichtshofes, der von 300.000 toten Zivilisten in Darfur spricht, zu hoch gegriffen sein könnten, hängt doch der Ruf des buchstäblich über Leichen gehenden Militärherrschers an ihm.

"Bashir hatte seinen Rücktritt angeboten", sagt sein Assistent, Ibrahim Ghandour, "aber die Partei hat ihn gebeten, noch für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren zu kandidieren." Die Angst bestehe, dass nicht nur Bashirs Nationale Kongresspartei (NCP), sondern das ganze Land auseinanderfalle und sich Terrorgruppen ausbreiten. Am 13. April sollen Wahlen abgehalten werden. Wichtige Oppositionsgruppen rufen zum Boykott auf, in Darfur wird die Wahl nicht stattfinden. Die Krisenregion ist eineinhalb Mal so groß ist wie Deutschland, aber hat nur knapp sieben Millionen Einwohner. Viel managt in Darfur die UNO - und trotzdem ist sie zum ungeliebten Partner Khartums avanciert.

Der stellvertretende Gouverneur der Provinz Norddarfur, Abul Abbas al-Tahib, ruft die Weltgemeinschaft dazu auf, lieber die 1,3 Milliarden US-Dollar, die die Unamid-Mission jährlich kostet, in Infrastrukturprojekte zu stecken. "Wenn die UNO das Geld in den Aufbau einer funktionierenden Wasserversorgung stecken würde, hätten wir das Problem Darfur gelöst", behauptet al-Tahib. Der Krieg hier habe mit einer großen Dürre begonnen, dem Streit um Wasser zwischen Nomaden und sesshaften Bauern. Früher habe es in der Regenzeit drei Wochen lang geregnet, jetzt einen Tag. Inzwischen sei der Konflikt ethnisch geprägt, bekämpften sich einzelne Volksgruppen. "Und nun kommt auch noch das Gold dazu." Seitdem in seiner Provinz Gold gefunden wurde, gäbe es einen regelrechten Goldrausch, der viel Streit hervorbringe.

Arbeitslose Jugend heuertbei den Rebellen an

Auf dem Markt im Flüchtlingslager Abu Al Shouk verkauft Itti gekühlten Zitronensaft. 50.000 Menschen leben in dem Camp, das die sudanesische Regierung gerne vorzeigt. Acht bis zehn Liter Wasser bekommt jeder Bewohner am Tag, die Gesundheitsversorgung ist kostenlos, 16.000 Kinder gehen in die Schule. Es gäbe keine Seuchen, keine Epidemien, keine Kriminalität, behauptet der Direktor des Lagers, Ibrahim al-Khalil. Nur Arbeit gibt es nicht, weder in Abu Al Shouk, noch in einem anderen der unzähligen Flüchtlingslager. Nach Angaben der UNO leben von den 2,7 Millionen Binnenvertriebenen 1,9 Millionen in Camps. Zudem sind mehr als 300.000 Menschen in die Nachbarländer geflohen.

Itti wohnt in Al Fascher, verdient sein Geld aber auf dem Markt im Lager. Der 26-Jährige hat einen Hochschulabschluss als Lehrer, bekommt aber keinen Job. Leise und unter vorgehaltener Hand sagt er: "Junge Leute haben hier keine Chance und schließen sich oft den Rebellen an, weil die bezahlen." Er selbst habe entschieden, sich aus den politischen Konflikten rauszuhalten. Wie lange er sich das noch leisten kann, weiß Itti aber nicht.