Die Lage im Land spitzt sich weiter zu und gefährdet vor allem Frauen und Kinder.
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Auch die am Mittwoch einseitig angekündigte Waffenruhe hatte keinen Bestand. Luftangriffe und Artilleriefeuer dauerten laut Augenzeugen und einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur auch am Donnerstag an. Zehntausende Menschen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum konnten ihre Häuser weiter nicht verlassen.
Laut Angaben der UNO gibt es für viele Familien seit Tagen kaum genügend Nahrungsmittel, keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr, da zentrale Adern der Wasserversorgung beschädigt wurden. Auch das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, sagt das sudanesische Ärztekomitee. Das Gros der Krankenhäuser in Khartum ist geschlossen.
"Die humanitäre Lage wird zunehmend katastrophaler", bestätigt auch Kate Maina-Vorley, Regionaldirektorin für Ost- und Zentralafrika von der Hilfsorganisation Care, der "Wiener Zeitung". Doch die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RFS) verschärfen laut Maina-Vorley bereits bestehende Missstände. "Dieser Konflikt kommt zu der ohnehin schon katastrophalen humanitären Lage im Sudan noch hinzu", so die Regionaldirektorin.
Frauen leiden besonders
Vor allem geschlechterspezifische Benachteiligungen würden durch den Konflikt nun verstärkt werden. Bereits jetzt leiden Frauen im Sudan immer noch unter Praktiken der Genitalverstümmelung und mangelnden Bildungschancen. "Wir sind besonders besorgt über die Situation von Frauen und Mädchen, die unverhältnismäßig stark von Gewalt betroffen sind, insbesondere, wenn sie gezwungen sind, aus ihren Häusern und Gemeinschaften zu fliehen", so die Regionaldirektorin.
Generell sind laut Daten der Vereinten Nationen fast 16 Millionen Menschen des mehr als 45 Millionen Einwohner zählenden nordostafrikanischen Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen. Jeder vierte Bewohner könne seinen minimalen Grundnahrungsbedarf nicht decken, lässt Care verlauten. Die Hilfsorganisation arbeitet seit 1979 im Sudan und betreibt derzeit noch Büros in den Regionen Kassala, Al-Qadarif, Ost-Darfur und Süd-Kurdufan. In den Epizentren der Kämpfe betreibt die Organisation nur noch basale Hilfeleistungen, zum Teil seien Mitarbeiter von ihren Familien abgeschnitten. Viele tausende Menschen begaben sich seit Beginn der Kampfhandlungen auf die gefährliche Flucht, in einem von innerstaatlicher Migration in den letzten Jahren gebeutelten Land.
Die Internationale Organisation für Migration zählte vor den jüngsten Eskalationen bereits 3,7 Millionen Binnenvertriebene aufgrund von Fluten und Konflikten im Sudan. Aufgrund der nun befeuerten Fluchtbewegungen könnte diese Zahl noch wesentlich mehr werden und die bestehenden, laut Maina-Vorley chronisch unterfinanzierten, Humanitärmaßnahmen weiter unter Druck setzen.
Das könnte über die Grenzen eines der größten afrikanischen Länder hinaus Auswirkungen haben: "Die Sorge global und regional ist groß, dass die Entwicklungen einen Dominoeffekt losstoßen, der zu regionaler Destabilisierung führt."
Waffenstillstand nicht genug
Die Missstände wird auch eine lang ersehnte Feuerpause nicht lösen können. Diese sei nicht ausreichend, um möglichst alle Bewohner mit den Nahrungsmitteln und Trinkwasser, sowie Verletzte mit Medikamenten und Behandlungen versorgen zu können, so Maina-Vorley. Auch ein kurzzeitiger Friede sei laut ihr nicht ausreichend, der Sudan brauche eine längerfristige Perspektive: "Es ist schwer, von Entwicklung zu sprechen, wenn ein Land von anhaltender Instabilität geprägt ist. Hauptursache für die schlechte Entwicklung ist die wirtschaftliche und politische Instabilität. Wir müssen uns mit der Ursache all dessen befassen, auch mit dem Bildungssystem des Landes."