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Süden der USA zieht Europäer an

Von WZ-Korrespondentin Katja Ridderbusch

Wirtschaft

Geschäftsklima lädt zur Ansiedlung von Firmen ein. | Günstige Löhne, erschwingliche Immobilien. | Atlanta. Die Geschichte begann auf der grünen Wiese. Hier, in Kennesaw, Georgia, einem stillen Vorort von Atlanta, gibt es außer ehemaligen Bürgerkriegs-Schlachtfeldern, ein paar Einkaufszentren und Wohngebieten vor allem eines: Platz, viel Platz. Das sei einer der Gründe gewesen, warum die Heidelberger Druckmaschinen AG, weltweit führender Anbieter von Lösungen für den Bogen-Offsetdruck, 1994 von einer engen Büroetage im New Yorker Stadtteil Queens in eine Vorstadt im amerikanischen Süden gezogen sei, sagt Marcel Kiessling, Präsident der Regionen Nord- und Südamerika.


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#Immer mehr Fabriken

Heidelberg USA ist eines von 35.600 ausländischen Unternehmen, die sich im Südosten der Vereinigten Staaten niedergelassen haben. Der deutsche Edel-Autobauer Porsche hat in Atlanta sein US-Hauptquartier eingerichtet, ebenso verschiedene Tochterfirmen des Siemens-Konzerns.

Der luxemburgische Stahlgigant Arcelor Mittal betreibt ein großes Werk in Arkansas. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS sowie das Chemieunternehmen Degussa unterhalten US-Niederlassungen in Alabama. Dort beginnt auch ThyssenKrupp, größter Konkurrent von Arcelor Mittal, in diesen Tagen mit dem Bau eines 3,7 Milliarden Dollar teuren Stahlwerks, das 2700 neue Arbeitsplätze schaffen soll.

Mit dem BMW-Werk in Spartanburg, South Carolina sowie einem Bayer-Werk in North Carolina sind zwei weitere Weltfirmen aus Deutschland im Südosten der USA vertreten. Hinzu kommen zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen.

Das sind Unternehmen wie Expotechnik GmbH, ein deutscher Anbieter von Messekonzepten, der in den USA, Mexiko, Japan und Australien Tochterfirmen hat. 1987 eröffnete Expotechnik in Chicago seine erste US-Niederlassung, zog aber ein Jahr später nach Atlanta. Heute befindet sich das Hauptquartier von Expotechnik USA mit seinen 66 Mitarbeitern in Suwanee im Norden von Atlanta, unweit von Kennesaw. Ausschlag für den Süden habe vor allem die geringe Kontrolle durch die Gewerkschaften gegeben, sagt Philip Soschinski, Juniorchef des Unternehmens und Geschäftsführer von Expotechnik USA. Gewerkschaften, betont er, seien "gerade in unserer Branche, dem Messebau, traditionell stark", regional im Süden allerdings eher schwach aufgestellt.

Noch hat der Ansturm der europäischen Unternehmen nichts mit der Stärke des Euro zu tun. Doch wenn der Dollar weiter schwächelt, wird die Verlagerung von Produktion in den Dollarraum noch attraktiver.

Atlanta im Höhenflug

Der amerikanische Südosten, von Texas bis North Carolina, ist die am schnellsten wachsende Wirtschaftsregion der USA - und Atlanta ist ihr Epizentrum. Die rasant wachsenden Banken- und Businessmetropole mit knapp fünf Millionen Einwohnern trägt wegen der Konzentration von Hochtechnologiefirmen auch den Spitznamen "Silicon South".

So war für Heidelberg USA auch die zentrale Lage Atlantas als Logistik-Umschlagplatz ein Argument für den Umzug: Nicht nur ist der Hartsfield-Jackson International Airport mit mehr als 80 Millionen Passagieren p.a. das verkehrsreichste Luftdrehkreuz der Welt. Auch hat Georgia mit Savannah und Brunswick zwei große Überseehäfen, die von 60 internationalen Schifffahrtslinien angelaufen werden. Verschiedene Organisationen, vor allem die verschiedenen bi-nationalen Handelskammern helfen kleinen und mittelständischen Firmen aus dem Ausland bei der Ansiedlung in den USA - mit Adress- und Geschäftspartnersuche sowie Vermittlung von Rechts- und Finanzberatung. "Die Zahlen sprechen für sich", sagte der deutsche Botschafter in Washington, Klaus Scharioth, der Atlanta in den vergangenen Monaten gleich dreimal besuchte: "Der amerikanische Süden und Südosten gehört zu den vitalsten Wirtschaftsregionen in den USA."

Tatsächlich lädt das Geschäftsklima zur Ansiedlung von Unternehmen, heimischen wie ausländischen ein: Neben der geringen gewerkschaftlichen Kontrolle sind das vor allem erschwingliche Immobilienpreise, günstige Löhne und niedrige bürokratische Hürden. Kenneth Stewart, Kommissar für Wirtschaftliche Entwicklung in Georgia, weist auf einen weiteren Faktor hin: "Die viel gerühmte Southern Hospitality, die Gastfreundschaft des Südens, ist ein ökonomischer Faktor, den die Welt noch nicht wirklich entdeckt hat." Das dürfte sich bald ändern.