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"Südkoreaner sind echte Stehaufmännchen"

Von Peter Kantor

Wirtschaft

Nach der Asien-Krise ist Südkorea weit schneller als seine Nachbarn wieder auf die Beine gekommen. ("Stehaufmännchen" nennen Südkorea-Kenner deshalb die Einwohner des südostasiatischen Wirtschaftswunderlandes.) Die in mächtige "Chaebols" gebettete Autoindustrie trägt zwar zum Aufschwung bei, braucht aber internationale Partner, um langfristig zu überleben.


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Eine Hochschaubahnfahrt der Sonderklasse hat Gottfried Scharf hinter sich. Beim Markteintritt in Österreich 1995 gelang dem Geschäftsführer von Kia Austria ein fulminanter Start. Innerhalb weniger Monate etablierte sich die Marke als koreanische Nummer eins im Land, vor Hyundai sowie Daewoo. Mitte 1997 kam die Asienkrise und mit ihr der Crash. In den folgenden beiden Jahren mußte Scharf den enormen Imageschaden und einen Absatzrückgang von mehr als 50% wegstecken.

Ende 1998 wurde Hyundai Mehrheitseigentümer von Kia Motors, gleichzeitig schwenkte die Wirtschaft wieder auf die Überholspur. Heuer schlägt sich die Erholung endlich auch in Zahlen nieder. Bis Jahresende will Kia Austria 2.000 Fahrzeuge verkaufen, um ein Drittel mehr als im Vorjahr.

Die Geschichte von Kia Austria gibt im Kleinen die Entwicklung Südkoreas in den vergangenen Jahren wider. Der Finanzkollaps in Asien 1997 brachte eine beispiellose Zäsur in der über viele Jahre äußerst dynamischen Entwicklung der Region. Die Verflechtung von Unternehmen und Politik, die Anhäufung fauler Kredite durch der Banken, die fehlenden Privatisierungen und der anhaltende wirtschaftliche Protektionismus hatten sich in einem Finanzkollaps entladen.

Der Schock währte nur kurz, nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 5,8% im Jahr 1998 ging es 1999 wieder steil nach oben. Mit einem Wirtschaftswachstum von 10,7% verwies Südkorea die Nachbarländer Malaysia, Thailand, die Philippinen und Indonesien deutlich auf die Plätze. Einmal mehr gelang auch die Abkoppelung vom dominierenden Player der Region, Japan, das noch immer nicht den Anschluß an frühere wirtschaftliche Glanzzeiten gefunden hat.

Dominante "Chaebols"

Der Boom scheint sich auch heuer fortzusetzen, die prognostizierten 8% dürften bis Ende Dezember locker erreicht werden. Eine Erfolgsstory, die Korea-Kenner Scharf nicht überrascht: "Für mich sind die Koreaner Stehaufmännchen par excellence", meint er.

Beeindruckt hätten ihn das Tempo der im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Angriff genommenen Strukturreformen im Land. "Die Koreaner gehen weg von den Firmenkonglomeraten, den sogenannten Chaebols, und konzentrieren sich auf das Kerngeschäft in ihrem jeweiligen Unternehmen", nennt Scharf ein herausragendes Beispiel. Das zeige sich besonders deutlich im Automobilgeschäft. So trennte im Juni dieses Jahres die Hyundai Business Group, mit rund 270.000 Mitarbeitern der größte der fünf koreanischen Konglomerate, die "Hyundai Motor Company, rechtlich aus dem Konzernkonglomerat heraus. Diese Sparte, zu der seit Dezember 1998 auch Kia Motors gehört, beschäftigt sich mit der Erzeugung und Vermarktung von Automobilen.

Christian Kesberg, Leiter der österreichischen Außenhandelsstelle in Seoul, warnt vor allzu großer Euphorie. "Südkorea ist nach wie vor ein Patient mit einem angeschlagenen Finanzsystem und überschuldeten Unternehmen, die reihenweise in Konkurs gehen", meint er. Auch die vielfach hochgelobte Entflechtung der Chaebols stehe erst am Anfang. Selbst die größten fünf Konglomerate, Samsung, Hyundai, LG (Lucky Goldstar), Daewoo und FK, würden vornehmlich Randbereiche abschichten. Die Dominanz der 30 größten Industriekonglomerate sei in Südkorea heute noch größer als in den Zeiten vor der Finanzkrise.

Vorsichtigen Optimismus hält Kesberg aber trotz dieser Diagnose für angebracht. Das Reformwerk sei zwar unvollendet, schreite aber voran. Die Börsenkurse, die seit Jänner 2000 um 30% gefallen sind, entsprechen nun den tatsächlichen Strukturreformerfolgen im Privatsektor. Auch das Abschmelzen der Leistungsbilanzüberschüsse auf heuer 8-10 Mrd. US$ könne als Zeichen der Normalisierung gesehen werden.

Nicht zuletzt gesunde der Finanzsektor, indem internationale Sorgfaltskriterien selbstverständlich werden. "Endlich operieren die Banken wieder wie Banken", zitiert Kesberg den Kommentar eines IWF-Vertreters.

Die anhaltend dynamische Wirtschaft, günstige Produktionskosten und der hohen Ausbildungsgrad im Land sollten den Aufschwung langfristig absichern.

Die zunehmende Öffnung des Marktes stellt die Unternehmen aber vor neue Herausforderungen. Korrespondierend zur Entflechtung der Konzerne, steigt der Druck in fast allen Branchen, in den entstehenden Teilgeschäften zu kooperieren oder zu fusionieren.

Besonders betroffen sind die koreanische Automobilhersteller, die zwar als Industriesparte im Land schwergewichtig, international aber eher kleine Fische sind.

Fusionsdruck versus Nationalstolz

Hyundai und Kia scheinen die Zeichen der Zeit bereits erkannt zu haben. Seit Dezember 1998 ist Hyundai mit 51% Mehrheitseigentümer von Kia Motors. Und seit Sommerbeginn hat mit DaimlerChrysler erstmals auch ein großer ausländischer Automobilkonzern mit 10% Anteil (Option auf weitere 5% nach drei Jahren) bei Hyundai einen Fuß in der Tür. Ein Deal, der das Image von Hyundai weiter aufpolieren dürfte. Nicht zuletzt hält der japanische Hersteller Mitsubishi, an dem die DaimlerChrysler-Gruppe gleichfalls beteiligt ist, 5% an Hyundai.

Das erste Projekt der Kooperation ist laut Friedrich Sommer, Marketingchef von Hyundai in Österreich, schon ein konkretes: "Hyundai kommt 2002 mit einem Modell im B-Segment (Anm: Klasse Skoda Fabia) auf den Markt. Zwei Jahre später werden DaimlerChrysler und Mitsubishi entsprechende Derivate vorstellen".

Als zweites Standbein der Zusammenarbeit werde die LKW-Sparte etabliert, wahrscheinlich die Gewichtsklasse von 38 bis 40 Tonnen, ergänzt Sommer. Bremsend bei Bemühungen um weiterführende Beteiligungen erweist sich der ausgeprägte Nationalstolz im Land. Für die Koreaner ist es wichtig, daß sie eigenständig bleiben, stimmen Hyundai und Kia überein.

Der Daewoo-Gruppe, zu der seit 1997 auch Ssangyong gehört, stellt sich diese Frage zumindest nicht mehr. Mindestens 16 Mrd. US$ Schulden hat alleine der Motor-Bereich angehäuft, das Sagen haben nun die Gläubigerbanken. Nach dem erst kürzlich erfolgten Rückzug von Ford wird fieberhaft nach einem anderen starken Partner gesucht. "Ziel ist es, die gesamten Assets vom Daewoo an einen Global Player zu verkaufen", weiß Michael Röck, Marketingchef von Daewoo Motor Austria. Auflagen seien lediglich der Fortbestand der Marke Daewoo sowie die Aufrechterhaltung der Produktionsstätten in Korea und der Überseeniederlassungen in Europa und anderen Ländern.

Aktuell wird mit den Bieterkonsortien General Motors/Fiat und DaimlerChrysler/Hyundai über neue Angebotslegungen verhandelt. Die Chancen von DaimlerChrysler/Hyundai werden dabei als eher geringer eingeschätzt. Hyundai/Kia sei mit rund 75% ohnehin schon absoluter Marktführer im Land, die Übernahme von Daewoo Motors hätte kartellrechtlich keine Chance, heißt es. Mit General Motors gab es hingegen schon in der Vergangenheit Kooperationen, etwa beim Opel-Kadett-Derivat Daewoo Espero. Der US-Konzern ist deshalb für viele der ideale Kandidat.

Suche nach Synergien

Die Mitarbeiter von Samsung Motors (SMI) mußten schon im Mai dieses Jahres ihren Nationalstolz zurücknehmen. Der französische Renault-Konzern stieg bei dem vom Samsung-Konzern abgespaltenen, stark verschuldeten Automobilhersteller ein. An der neu gegründete Tochtergesellschaft Renault Samsung Motors, hält Renault nun über 70%.

Die Zukunftsperspektiven sind durch den Zusammenschluß nun deutlich rosiger. So hat das neue Gemeinschaftsunternehmen industrielle Investitionen von 300 Mill. US$ in den kommenden drei Jahren geplant. Mit der Wiederaufnahme der Produktion der Oberklasselimousine SM5 soll etwa an frühere Erfolge von Samsung angeschlossen werden.

Für Synergien gibt es in der südkoreanischen Automobilindustrie noch viel Potential. Die Modelle von Hyundai und Kia etwa werden aktuell auf 24 Plattformen gebaut, weit mehr als die Konkurrenten benötigen. Im kommenden Jahr, spätestens 2002, soll es erste gemeinsame Plattformen geben. Im Jahr 2007 schließlich will Hyundai/Kia mit 7 Plattformen ein Auslangen finden. Kia-Austria-Chef Scharf hofft in diesem Zusammenhang auf eine abgestimmte Modellpolitik. Vorbild könnten VW und Audi werden.

In Österreich will Kia heuer 2000 Einheiten absetzen, mehr als 50% davon vom aktuell stärksten Modell, dem Minivan Carnival. Mittelfristiges Ziel sind 70 (derzeit 50) Händler und die Abdeckung der Ballungsräume. Mit dem Nettopreissystem sei man von Anfang an gut gefahren, mein Geschäftsführer Scharf, man wolle auch dabei bleiben: "Dank der Unterstützung unseres Herstellers und unserer schlanken Importeursorganisation können wir in Österreich Privatpersonen und Klein- und Mittelbetriebe ein unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis anbieten. Beim großen Flotten-Geschäft haben wir ohnehin meist keine Chance, weil die Importeure aus Prestigegründen oft horrende Rabatte geben."