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Nordkorea feiert Staatsgründer Kim Il-sung und fährt Kriegsrhetorik zurück.
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Seoul. Es ist noch kühl in Seoul, aber die Kirschbäume stehen in voller Blüte. Garosu-gil, eine Allee im Bezirk Gangnam ist voller Flaneure. Gangnam ist das Döbling Seouls, neureicher vielleicht, hier scheut man sich weniger, seinen Wohlstand zu zeigen. Gangnam, das ist der Bezirk, über dessen Mädchen und Playboys sich K-Pop-Rapper Psy in seinem Welthit "Gangnam Style" lustig macht. Und genau wie im Song beschrieben, trinkt man hier gepflegt Kaffee. Kriegsdrohungen aus Nordkorea ignoriert man geflissentlich.
Und während der Norden den 101. Geburtstag des verstorbenen Staatsgründers Kim Il-sung, Großvater des heutigen Machthabers Kim Jong-un, mit einem Blumenfest und militärischen Zeremonien feiert, kamen 50.000 Psy-Fans ins Weltcupstadion Seoul, um "Gentleman", den neuesten Hit des Rappers, live zu hören.
Korea: Zwei Länder, zwei Systeme - der Unterschied könnte größer nicht sein. Und die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind schlecht wie seit langem nicht.
Möglicher Wendepunkt
Der südkoreanische Außenminister Yun Byung-se meinte bei einem Mittagessen mit internationalen Journalisten im Koreanischen Presseklub unter anderem gegenüber der "Wiener Zeitung": "Wenn es heute zu keinem Raketenstart kommt, dann wäre das ein möglicher Wendepunkt. Wir rechnen aber damit, dass die Lage noch einige Zeit angespannt bleibt." Immerhin sei ein Verhandlungsangebot zuletzt von Pjöngjang ausgeschlagen worden. Die Hoffnungen des Außenministers schienen sich aber zu erfüllen: Bis in die späten Montag-Nacht-Stunden war tatsächlich kein Raketenstart erfolgt. Gleichzeitig sind aber Südkoreas Eliten mental darauf vorbereitet, dass Kim Jong-un doch noch im Laufe dieser Woche einen Raketenstart befehlen könnte. Das hätte zwar weiteren Druck auf Pjöngjang zur Folge, sei aber für Südkorea nicht das Ende der Welt, wie in Seoul aus Diplomatenkreisen zu hören war.
Seoul möchte jedenfalls so schnell als möglich zu einer weniger aufgeheizten Stimmung auf der koreanischen Halbinsel zurückehren: "Das Image von Südkorea ist das des allerneuesten Samsung-Smartphones, des neuesten Modells von Hyundai oder des jüngsten Konzertes des Weltstars Psy", sagt Yun. "Aber derzeit dominieren Atom- oder Raketentests die Schlagzeilen über die koreanische Halbinsel."
Die Grenze zwischen den beiden Koreas verläuft in einer der waffenstarrendsten Regionen der Welt. Sie ist ein 250 Kilometer langer Todesstreifen, der entlang des 38. Breitengrades über die koreanische Halbinsel läuft. "Das ist nur 50 Kilometer von Seoul entfernt", sagt der Außenminister.
Chronologie einer Krise
Diese Grenze markiert seit dem 27. Juli 1953 die Demarkationslinie zwischen den getrennten Staaten. An diesem Tag vor nunmehr bald 60 Jahren wurde der Waffenstillstandsvertrag zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Noch vor nicht allzu langer Zeit hofften Experten, dass dieses Abkommen zum 60. Jahrestag durch einen Friedensvertrag abgelöst werden könnte. Doch wegen der jüngsten Eskalation wird das wohl ein frommer Wunsch bleiben.
Wie war es zur jetzigen Krise gekommen? 2011 wurde Kim Jong-un - ein Vertreter der dritten Generation der Kim-Dynastie, die seit 1947 in Nordkorea herrscht - neuer Machthaber und es deutete einiges auf Reformen und Entspannung hin. Im Dezember 2012 testete Nordkorea einen Satelliten, was dem Land nach den UN-Resolutionen 1718 und 1874 nicht erlaubt ist - die internationale Staatengemeinschaft misstraut Pjöngjang und glaubte an einen verdeckten Raketentest. Nordkorea wurde daraufhin mit UN-Sanktionen belegt. Am 12. Februar 2013 folgte ein weiterer Atomtest. Auf die um diese Zeit beginnenden US-südkoreanischen Manöver, die Pjöngjang als "feindlichen Akt" bezeichnet hatte, reagierte Pjöngjang schließlich mit sehr schriller Rhetorik und drohte den USA, Südkorea und Japan atomare Angriffe an, was die USA dazu veranlasste, die Muskeln spielen zu lassen.
Die Eskalationsspirale drehte sich immer schneller. Einziger Trost für die Diplomaten in Ostasien: Während der Präsidentschaft von Lee Myung-bak in Südkorea hatte Eiszeit zwischen Seoul und Pjöngjang geherrscht, 2009 und 2010 waren die Beziehungen auf einem Tiefpunkt: Zuerst testete der Norden 2009 zum zweiten Mal eine Atomwaffe und führte mehrere Raketentests durch, 2010 nahm die nordkoreanische Artillerie eine südkoreanische Insel unter Feuer und der Süden machte den Norden für das Sinken einer südkoreanischen Korvette verantwortlich.
Spannungen lassen nach
So weit will man es diesmal nicht kommen lassen: Am Wochenende waren alle Seiten - Nordkorea, Südkorea, die USA und China - bemüht, die Krise einzudämmen. Auch im nordkoreanischen Fernsehen war die Rhetorik weniger scharf als noch vor Tagen, als Pjöngjang ständig den USA, Südkorea und Japan martialisch drohte. US-Außenminister John Kerry lotete in Südkorea, China und Japan Wege aus der Krise aus, Südkoreas Präsidentin Park Guen-hye zeigte sich gegenüber Kim Jong-un entgegenkommend und Peking war bemüht, seinen unbequemen Verbündeten in Pjöngjang zu mehr Mäßigung zu bewegen. Kerry hat ja bereits angedeutet, dass die USA eine Unterhändlerrolle für China begrüßen würden. Südkorea weiß, dass auch Peking größtes Interesse an einer Denuklearisierung Pjöngjangs hat: Ein nuklear bewaffnetes Nordkorea verschiebt das Mächtegleichgewicht in der Region, stärkt die Rolle der Vereinigten Staaten als Protektor für Südkorea und Japan und würde unweigerlich zu einer militärischen Aufrüstung dieser beiden Staaten führen - was nicht in Chinas Interesse wäre.
Ist nun also Deeskalation angesagt? Zumindest der Montag ging ohne Raketentest vorüber und mit dem Höhepunkt der Feierlichkeiten in Nordkorea zu Ehren des 101. Geburtstags von Kim Il-sung haben die internationalen Spannungen deutlich nachgelassen.